Was soll man jemanden raten, der als Träumer gilt und nur auf Widerstände stößt, dem finanziell das Wasser bis zum Halse steht? Man könnte ihm sagen: Dem Harald Glööckler (hier 1994 bei seiner ersten Modeshow im Neuen Schloss) ging’s auch mal so. Lies seine Biografie! Dann hältst du Märchen für machbar. Die Botschaft des Designers in seinem soeben erschienenen Taschenbuch: Wunder kommen zu denen, die an sie glauben.
Viele Tiefschläge hat der Doppel-Ö-Träger in Stuttgart kassiert, überall legte man ihm Steine in den Weg. Der Gerichtsvollzieher kam, sein einstiger Mäzen – im Buch geheimnisvoll als Mister X tituliert – brachte ihn vor Gericht. Doch heute ist der 47-Jährige froh, dass es diese Gegner gab. „Aus den Steinen, die man nach mir geworfen hat, habe ich mein Schloss gebaut“, schreibt der King of Kitsch gewohnt theatralisch. Die große Show ist seine Welt. Und sie war es schon immer.
Die Rolle, die in Deutschland nach dem Tod von Rudolph Moshammer frei geworden ist, besetzt Harald Glööckler noch besser als sein Vorgänger. Wer so oft schillernd im Fernsehen erscheint, wird irgendwann als Star wahrgenommen.
Das Foto vom tanzenden Designer stammt aus dem Jahr 1994. Damals hatte er nur ein Ö im Namen, keine aufgespritzte Lippen und keine Botox-Stirn. Glööckler erschuf sich zur eigenen Kunstfigur. Sein 16 Jahre älterer Gefährte Dieter Schroth, der sich in Stuttgart noch die Haare färbte, wurde hingegen immer unauffälliger, je extravaganter es sein Partner auf die Spitze trieb. Als sich die beiden vor 25 Jahren kennenlernten, war Schroth ein verheirateter Familienvater. Beim Tagblatt-Turm eröffneten sie den Jeans Garden, sind durch dick und dünn gegangen, haben besser zusammengehalten als manches Hetero-Promi-Paar, das in der Öffentlichkeit harmonisch wirken will, obwohl alles nur noch Show ist.
Gerade ist Glööcklers Taschenbuch auf meinem Schreibtisch gelandet. Da habe ich im Archiv die alten Artikel über seine Anfangszeit in Stuttgart nachgelesen. „Paris wäre neidisch“, war 1994 bei seiner ersten Barock-Mode-Show im Neuen Schloss mit Margot Werner als Stargast zu hören. Zum Ball Pompöös 1995in der Alten Reithalle des Hotels Maritim erschien Gina Lollobrigida. Filmreif fuhr man die damals 68-jährige Diva in der Stretchlimousine vor. Dabei war sie schon am Nachmittag im Maritim angekommen. Man chauffierte sie von der Tiefgarage gerade mal um die Ecke. Mit Bodyguards kämpfte sie sich durchs Gedrücke und Geschiebe der Fotografen und Fernsehteams. Dieser Moment sollte prägend für Harald Glööckler sein, wie er schreibt: „Es war einer jener Momente, in denen man begreift, dass alles möglich ist, wenn man nur den Mut hat, etwas zu bewegen.
Heute bewegt der Boss von Pompöös allerhand. Von Pralinen bis zur Hundemode, von Tapeten bis zu Smartphones – einem Produkt nach dem anderen verkauft er seine Lizenz, die Krone zum Kohlemachen. Mister X, sein früherer Mäzen, dürfte sich schwarz ärgern. Er hatte einst viel Geld in den Designer gesteckt und ihn dann fallenlassen, als sich der finanzielle Erfolg nicht einstellte. Alles ist für was gut, liest der Optimist aus der Biografie. Wer was erreichen will, muss dranbleiben. Kürzlich besuchte der Modeschöpfer Zöglinge des Kinderhilfswerks, denen er Schulranzen schenkte. „Warum hast du denn so dicke Lippen“, fragte ein Kind.
Nicht alle Menschen, liebe Kinder, sind gleich. Die Vielfalt macht’s. Ist doch schön, wenn einer glööcklich ist.