„Der Sekt floss in Strömen und die Lachtränen auch.“ Derart wortgewandt berichtete kürzlich die „taz“ über einen neuartigen Spaß. Der tobt sich in Großstädten an einem heftigen Gefühl der Feindschaft aus: am Hass.
Hate-Slam nennt sich, womit Journalisten ihr geschundenen Reporterseelen auf offener Bühne selbst therapieren. Sie lesen Leserbriefe laut vor, die niemals veröffentlicht wurden, weil sie bösartig oder beleidigend, in einer Fäkalsprache verfasst oder einfach irre sind. Sie lesen die Dinger vor, um den bösesten, schlimmsten, irrsten Brief zu küren. Das Publikum, so wissen wir vom Berliner „taz“-Kollegen, bricht in ein Gelächter mit feuchten Ergebnissen aus.
Kommen wir damit zum Eingangszitat zurück. „Der Sekt floss in Strömen und die Lachtränen auch“, stand in der linken „taz“. Eigentlich müsste ich sofort einen wütenden Leserbrief schreiben. Sie Blindgänger, müsste ich schreiben, darf heutzutage jeder Rechtschreibrüpel in eine Redaktion? Richtig hätte der Satz nämlich so lauten müssen: Der Sekt floss in Strömen – KOMMA! –, und die Lachtränen flossen auch. Sekt ist Singular, Lachtränen sind Plural, weshalb man beides nicht mit dem einen Verb „floss“ verbinden kann!!!! Ihr Blödmänner!!!!!!!
Jeder Journalist weiß, wie leicht es fällt, Verrisse zu schreiben – und wie hart es ist, selbst kritisiert zu werden. Leser müssen ernstgenommen werden, keine Frage. Denn sie sind die Kunden, die wir bedienen. Wenn wir uns über sie lustig machen, werden wir sie verlieren. Aber andererseits: Ein Journalist, der es allen recht machen will, kann langweilig werden, er könnte dann nicht seinen Wächter-Pflichten nachkommen. Deshalb ist es gut, wenn man hin und wieder Proteste aus der Leserschaft erntet. Als ich mich kürzlich über den Auftritt eines Stuttgarter Bordellbesitzers in einer Talkshow lustig machte, schrieb mir eine Leserin, ich sei ja nur neidisch, weil ich nicht so charismatisch und gut aussehend sei wie jener Mann aus der Rotlichtbranche. Genau! Umgehend schrieb ich der Leserin zurück und gab ihr in allen Punkten recht. Mit dem wenigen Charisma könnt‘ ich leben.
„Sie dämliches Arschloch“, steht auf jenen Postkarten, mit denen für den ersten Stuttgarter Hate-Slam geworben wird, der am 11. Okotber im Club Schräglage mit der Moderation von Comedian Michael Gaedt um 20.30 Uhr beginnt. Mein Kollege Hilmar Pfister (Foto) aus der Landespolitik der Stuttgarter Nachrichten hatte die Idee, die in Berlin so erfolgreiche Veranstaltungsreihe nach Stuttgart zu holen. Mit ihm tragen nun Kollegen der „Süddeutschen Zeitung“ und des Stadtmagazins „Lift“ Leserbriefe vor, die es nie in die Zeitung geschafft haben. Aber dank Internet und sozialen Netzwerken finden Quälgeister und Nervensägen heutzutage genügend Möglichkeiten, sich öffentlich zu äußern, wenn ihnen die Zeitungsredaktionen den Zugang verwehren. Und jetzt sucht Stuttgart auch noch den Schrägsten von ihnen in der Schräglage.
Hass ist ein sehr anstrengendes Gefühl, das viel Energie und Aggression kostet. Manchmal müsste deshalb auch Verachtung reichen. Aber eine noch viel schlimmere Strafe ist die Missachtung. Viele Journalisten finden es gar nicht lustig, wenn sie null Reaktionen hervorrufen. Sollen wenigstens die Korken knallen! Auf zum fröhlichen Verspritzen von Sekt und Lachtränen.