Büro München-West. So heißt bei der geschätzten „Süddeutschen Zeitung“ redaktionsintern der komischerweise nicht so begehrte Außenposten in Stuttgart. Bayern kommen halt nur ungern aus Bayern raus. Dabei werden Sieger ganz wo anders gemacht. Etwa spät in der Nacht in schräger Lage in einem schwäbischen Clubkeller.  Hat  jeder Schreiber  die Leser, die er verdient?

Die Kollegen Roman Deininger und Max Hägler – ihre bayerische Zentralredaktion hat sie als Stuttgarter Korrespondenten nach München-West verbannt –  haben am Donnerstag den Arsch mit Ohren geholt. Und wie dieser Arsch glänzt! Denn er ist die  neugeschaffene Trophäe des ersten Stuttgarter  Hat-Slams im Club Schräglage.

Haben die beiden Münchner Herren im Wettstreit  mit Kollegen der „Stuttgarter Nachrichten“ (Platz zwei nach Urteil der Publikumsjury: Lisa Welzhofer und Hilmar Pfister) und des Stadtmagazins „Lift“ (Bronze für Jana Braun  und Kathrin Waldow) diesen Preis überhaupt verdient? Im Grunde gebührt der beste Arsch mit Ohren  jenen unerschrockenen und meinungsstarken Lesern, die solch schöne Sätze zu Papier bringen wie:  „Sie Schreiberlein, Sie Wurm, Sie ehemaliger Schülerzeitungsredakteur – bei Ihnen werde ich hasskrank!“  Die SZ-Leser prangerten „Blümchen-Journalismus“ an und einen „von keinerlei Sachkenntnis geprägten Hochmut“.  Das ist großes Wortkino! Da nahm es auch das zahlreich erschienene Stuttgarter Publikum hin, dass die Korrespondenten aus dem Büro München-West auf der offenen Bühne eines DJ-Pults sich lustig machten über schwäbische Eigenarten und auf die Buhrufe, die folgten, ihr Publikum „liebe Wutschwaben“ nannten. Brav in der Schlange hatten Hunderte dieser Wutschwaben auf  Einlass gewartet. Beim Rathaus war die Fußgängerzone Hirschstraße nach 20 Uhr für längere Zeit blockiert.

Es war nicht das nahe Dreifarbenhaus, das lockte. Es waren die Wutausbrüche von zornigen Lesern, deren Ergüsse von sechs Journalisten in drei Teams anonymisiert vorgetragen wurden in Kategorien wie „der böseste Leserbrief“, „der lustigste Leserbrief“ und „die größte  Beschimpfung“.  Mein Kollege Hilmar Pfister – er schlägt sich herum mit Glööööööööööööckler-Fans – hatte die Idee, den schon in Berlin und Augsburg so beliebten Hate-Slam nach Stuttgart zu holen. Das erfreut auch einen Mittfünfziger wie Comedian Michael Gaedt, der das Spektakel mit Publikumsbewertung so gut wie schon lange nicht mehr moderiert hat. Der Mann stammt aus einer Zeit, als noch jeder mit Zeitungspapier rascheln wollte. „Da wird immer wieder vom Niedergang der Printmedien gesprochen“, bemerkte Gaedt, „und dann drücken die Jungen hier so massenhaft rein, dass wir oben zuschließen müssen und die Veranstaltung wegen des großen Erfolgs fast ausfällt.“  Wer er denn sei? Gaedts Erklärung: „Fragt eure Eltern, die kennen mich von der Kleinen Tierschau.“

Ach ihr Würmer, was pinselt ihr da hin!  „Lassen Sie es“, schlug eine Leserin dem Kollegen Hägler von der Süddeutschen vor, „und bieten Sie Töpferkurse an.“ Eine andere Leserin forderte die Chefredaktion  auf, niemals mehr von Stuttgart-Tipps des Herrn Deininger behelligt zu werden. Niemals werde sie ihm verraten, wo es bei uns den besten Rostbraten der Stadt gibt. Womöglich werde sie sonst noch das Schreiberlein hier antreffen, diesen ehemaligen Schülerzeitungsredakteur.  Jajaja, Leser haben Recht, lautet das erste Gesetz einer Zeitungsredaktion. Und zwar immer, lautet das zweite.  Beim nächsten Hate-Slam werden die Sieger Deininger und Hägler, so fürchte ich, leider  nicht mehr antreten können, wenn sie mit ihrem Blümchen-Journalismus so weitermachen. Aber wir besuchen dann einen ihrer Töpferkurse.

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