Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Lass die Kerze stimmungsvoll leuchten, aber mach kein Feuer.
LED-Kerzen, hört man gerade überall, sind in diesem Jahr der Weihnachtstrend. Raffiniert täuscht die neue Leuchttechnologie die flackernde Flamme vor – fernbedient, batteriebetrieben. Aber nur der Wachs ist echt. Großmundig verkündet ein LED-Produzent von „Echtwachskerzen“ in der Werbung: „Seit der Entdeckung des Feuers haben sich die Flammen nicht verändert – bis heute.“ Heute also ist alles anders. Heute werden Kerzen, wie revolutionär, zur Verhütung des Feuers eingesetzt. Romantisch soll’s werden – und alles bleibt ohne Tatütata, nie muss die Feuerwehr kommen.
In der neuen Show im Dinnerzelt Palazzo auf dem Cannstatter Wasen hat es eine Weile gedauert, bis ich den falschen Schein bemerkte. So verblüffend echt ist das Flackern der LED-Kerzen auf den festlich gedeckten Tischen. In einer Varieté-Show wird die Kunst der Illusion zelebriert – jetzt sogar mit neuen Lichtquellen.
„Die Liebe? Eine Illusion!“ Oscar Wilde, von dem dieses Zitat stammt, hielt demnach Illusionen für äußerst wichtig. Wenn wir Illusionen sogar für die Liebe brauchen, für unsere höchsten Glücksgefühle, sollten wir nicht darauf verzichten. Ist dann auch der Glauben eine Illusion? Religiöse Vorstellungen können sehr unterschiedlich sein, aber Hauptsache, man denkt über ein paar wichtige Dinge des Lebens nach. Wir sind in der Adventszeit, in der Zeit des Lichts. Im Advent sollen wir zur Besinnung kommen, das Wesentliche erkennen. Vielleicht finden wir dann auch heraus, wer unsere echten und wer unsere falschen Freunde sind.
In der der Adventszeit, wenn die Modedesignerin Lissi Fritzenschaft am liebsten echte Freunde um sich versammelt, lässt sie sich mit den Opernsängerinnen Maria Theresa Ullrich und Itziar Real heißen Kerzenwachs aufs Haupthaar tropfen. Das hat Tradition in ihrem gastfreundlichen Haus. Das Lied von Santa Lucia wird mit einem Adventskranz auf dem Kopf gesungen, ehe alle Gäste die Greatest Hits der internationalen Weihnachtspoesie anstimmen. Weil so viele Musiker mitfeiern, kommt ein imposanter Chor zusammen. Und wie die Gesichter leuchten!
Die einen lieben die Tradition der kleinen, echten Kerzen, die anderen wollen’s riesig. Rekorde sollen her. Das Dormero Hotel im Möhringer SI-Centrum ließ den „größten Weihnachtsbaum Stuttgarts“ auf der Fassade erstrahlen. In einer Nacht hatte man die Gäste in andere Gebäudeteile verlegt. Die Hotelmitarbeiter gingen von Zimmer zu Zimmer und knipsten im LED-Lichtsystem über den Betten Grün oder Rot an, so dass ein Tannenbaum über mehrere Stockwerke entstand. Jeder Gast kann sich sonst – je nach Stimmung oder Begleitung für die Nacht – seine eigenen Farben wählen, etwa beruhigend oder anregend. Oft ist das Dormero so bunt, dass es Rubik’s Cube genannt wird, wie der legendäre Spielewürfel der 1980er hieß.
Im Dezember kommt die Nacht früher – im Monat des Lichts. Wo sich Dunkelheit verbreitet, können Wunder leuchten oder wenigstens ein bunter Zauberwürfel.