Die alten Gräben brechen auf, als liege die Senderfusion nicht schon 16 Jahre zurück. Warum haben sich die SWR-Mannschaften in Stuttgart und Baden-Baden noch immer nicht lieb? Auf Spurensuche in beiden Städten.
Abfahrt: 7.11 Uhr Stuttgart Hbf, Gleis 9. Ankunft: 7.53 Uhr Karlsruhe Hbf auf Gleis 5. Umsteigen, Gleiswechsel. Abfahrt: 8.09 Uhr Karlsruhe Hbf auf Gleis 11. Ankunft: 8.29 Uhr Baden-Baden (im Fahrplan steht nur Baden-Baden, nicht Hbf).
Angestellte des SWR, die bisher noch in Stuttgart tätig sind – es soll noch ein letztes Häuflein davon geben – sollten sich die Abfahrtszeiten merken. Immer mehr werden von ihren Chefs in die kleinste kreisfreie Stadt des Landes abkommandiert. Wenigstens die 20 Redakteure und Assistenten des „Nachtcafés“ müssen doch nicht. Dies hat Fernsehdirektor Christoph Hauser am Freitag im Interview mit meiner Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten, versichert. Das Team der „Tigerente“ aber muss. Im Stuttgarter Funkhaus geht die Angst um – die Angst vor einem Ruf, den viele als Strafe empfinden: ab nach Baden-Baden!
Ein alter Streit kocht hoch. Bei der Fusion der beiden Sender 1998 war der SDR-Intendant Hermann Fünfgeld 67, der SWF-Intendant Peter Voß zehn Jahre jünger. Damals hatte man das Gefühl, der jugendlich wirkende Fuchs Peter beißt das amtsmüde und altersschwache Schaf Hermann aus purem Schabernack, bevor es fliehen kann. Die Schwaben fühlten sich trotz Intendantensitz auf der Zielgeraden der Fusion vom SWF abgehängt. Meine Zeitung zitierte damals einen wütenden SDR-Abteilungsleiter: „Wie ein frommes Lamm wird der eigene Sender zur Schlachtbank geführt.“
Bis heute haben sich die SWR-Mitarbeiter in Baden-Baden und in Stuttgart nicht richtig lieb. Bei den Schwaben lästert man über die russischste Stadt Deutschlands und über das Rentnerparadies mit Rollator- und Roulette-Anschluss. Und die Kollegen in Baden-Baden lächeln nur milde, wenn sie als provinziell bezeichnet werden. Provinz, sagen sie, habe mit der Größe der Stadt nichts zu tun, und provinzieller als Stuttgart gehe sowieso gar nicht mehr.
Ab nach Baden-Baden! Für die SWR-3-Nachteule Ben Streubel gilt dies seit 13 Jahren. In der Kur- und Bäderstadt gefallen dem Benny die „blühenden Magnolienbäume“ und dass in der Fußgängerzone „nicht so viele Panflötenspieler“ zu hören sind wie auf der Königstraße, wo er wohnt. Das wär’s dann schon. So gut gefällt es ihm in Baden-Baden, dass er jeden Tag nach getaner Arbeit mit dem Auto nach Hause nach Stuttgart fährt. Seit 13 Jahren fährt Streubel auf der Autobahn mindestens eine Stunde zwanzig Minuten hin, mindestens eine Stunde zwanzig zurück. Zum Glück nur einmal wurde er in diesen 13 Jahren in einen Unfall verwickelt.
Über Baden-Baden zu schreiben, ohne in Klischees von Reichtum, Russen und Rentner zu verfallen, ist schwer. Von den über 50 000 Einwohnern ist etwa jeder zehnte Russe. Überall in der Stadt stößt man auf kyrillische Schrift. Und nirgendwo versteht man den demografischen Wandel so gut wie hier. Dies hat seine Vorteile, wie TV-Moderator Pierre M. Krause mit wöchentlicher, in Baden-Baden zur Nachmittagsstunde aufgezeichneten Nachtsendung erklärt: „Unter so vielen älteren Menschen fühlt man sich gleich viel jünger.“
Mit seiner Sendung, weiß man im Funkhaus an der Neckarstraße, will Krause von Baden-Baden nach Stuttgart ziehen – allein schon, um genügend prominente Gäste und ein jugendliches Publikum besser locken zu können. Doch die ehemaligen SWF-Seilschaften haben es seit der Fusion vollbracht, das größte Produktionsequipment in Baden-Baden zu sichern. Sämtliche Kulissen für die Innenszenen der drei SWR-„Tatorte“ sowie für die „Fallers“ befinden sich hier. In Stuttgart haben es hingegen die Fernsehleute nicht geschafft, mit dem Bau neuer Studios eine einzige Talkshow zu halten.
Stuttgart gegen Baden-Baden – das Lokalderby geht in die nächste Runde. Doch noch ist das Spiel nicht abgepfiffen. Hoffen wir, dass Stuttgart in letzter Minute noch ein Tor schießt!
Wir wissen nicht, wie viel Millionen Barbara Schöneberger im Casino von Baden-Baden verzockt hat, ob sie überhaupt dort schon mal war. Aber der Scheck, den sie in Stuttgart bekam, dürfte groß genug gewesen sein, um bei der VIP-Party für die Eröffnung der Vorzeigefiliale der Commerzbank an der Königstraße gewohnt großartig zu singen. Ach, wenn Frau Schöneberger die Reise nach Stuttgart nur genützt hat, sich mit SWR-Intendant Peter Boudgoust zu treffen! Die 40-Jährige wäre die Richtige! Sie sollte auf den Talkmoderatorenstuhl von Backes nachrücken. Aber natürlich nur in Stuttgart, Herr Intendant!