Heimatliebe ist eine Liebe, der sich immer mehr Schwaben ohne eingesparten Stolz hingeben. Heimatliebe am Heck: Mit gestanzten Buchstaben in einem dünnen Blech setzen Autofahrer auf die identitätsstiftende Wirkung eines Kürzels wie „LEO“, „ES-EL“ oder „S-UN“. Heimatliebe per Mausklick: Bei Facebook boomen die Stuttgart-Seiten. Heimatliebe als Bekenntnis: Aufkleber mit Aufschriften wie „’s Lebä isch koin Schlotzer“ laufen wie g’schmiert.
Irgendein Cleverle hat festgestellt: „Es isch nirgends so schön wie drhoim, selbst wenn d’ Hoimet a Sauschdall isch!“
Und jetzt, da die Schwoba boomet, was das Internet-Comeback von Pferdle & Äffle mit neuen Dialogen ebenso beweist wie der Rapper MC Bruddaal, überrascht es nicht, dass Homer Simpson trotz seiner Herkunft aus der amerikanischen Unterschicht Schwäbisch schwätzt – wie zuvor schon Comic-Kollege Asterix.
Bekannt wurde Homer als stinkfaule Coach-Potato – dennoch hat er nach Bayerisch und Hessisch eine weitere Mundart gelernt. Geholfen hat ihm für Band drei der Simpsons-Dialekt-Reihe der Schwaben-Multi-Autor Dominik Kuhn. Dodokay legt Homer Sätze in den Mund wie „„Em gschengda Gaul guckt mer ned ins Maul“. In dem Büchlein aus dem Panini-Verlag mit Deutschland-Sitz in Stuttgart macht Homer versehentlich „’s Internet hee“ – und die Simpsons müssen alle Aufgaben übernehmen, die sonst „des neimodische Klomp“ erledigt. Ohne Netz und doppelten Boden wird die Schwabenwelt schnell zum Sauschdall!
Ein Glück nur, dass der Souffleur der Simpsons Dodokay heißt. Denn heutzutage wollen alle Schwäbisch schwätzen, leider auch die, die keine Ahnung davon haben. Für das neue Shopping-Zentrum muss eine uns sehr ferne Agentur die Werbung getextet haben. „Das Ländle jagt Schnäpple im Mailändle“, heißt es da.
Sind wir denn alle blödle?
Kein Mensch sagt bei uns „Schnäpple“. Und wir sagen auch nicht unentwegt „Grüß Gottle“, wenn wir uns sehen. Kürzlich bei der ansonsten tollen Gala zu 20 Jahre Musicals in Stuttgart haben die Bühnenakteure im Palladium-Theater gemeint, es sei lustig, einen Schwabenwitz nach dem anderen zu reißen. Sie stellten uns dar, als würden wir im Alltag reden wie Dorftrottel im Bauerntrampeltheater. So was kann man sich nur in der Hamburger Musicalzentrale ausdenken. Bei einer derartigen Grüß-Gottle-Häufung ist unser Zwergle-Image sehr anstrengend. Es leben bei uns viele, die überhaupt kein Schwäbisch sprechen, aber trotzdem Schwäbisch denken.
Die landesübliche Kleinmacherei muss ihre Grenzen kennen! Meine journalistische Lehrmeisterin Uta Schlegel-Holzmann, die bis Ende 2003 die KNITZ-Kolumne in dieser Zeitung geschrieben hat, machte mir dies bereits vor 15 Jahren klar. Wenn sie beim Gegenlesen das Wort „Ländle“ in meinem Artikel entdeckte, protestierte sie heftig. „Heimatland noch mal!“, konnte sie dann ausrufen, „sind wir denn ein Spielzeugländle?“ Wann endlich darf dieses Baden-Württemberg erwachsen, also ein Land sein?
Seit 15 Jahren habe ich kein einziges Mal mehr das Wort „Ländle“ in meinen Texten verwendet. Recht hat die Kollegin! Es ist ja ein guter Zug, dass sich Schwaben nicht aufblasen und sich lieber kleiner machen, als sie sind. Aber ein wenig stolz können wir doch auch auf uns sein So, des musste mal g’sagt werden! Und gell, jetzt machen wir ein bissle Ordnung in onserem Sauschdall! Adele!