Mit patriotischem Stolz hört man Amerikaner ausrufen: „Bei uns kann jeder Präsident werden!“ In Stuttgart gilt: Bei uns kann jeder eine Präsidentensuite mieten! Vorausgesetzt, er zahlt 4500 Euro. So viel kostet im Hotel Le Méridien die Suite mit der Nummer 515 in einer Nacht.
Die 515 befindet sich im fünften Stock der Luxusherberge – mit dem besten Blick der Stadt auf die Bahnhofsbaustelle (man sieht sie nur und hört nichts – der Schallschutz ist top!). In der 250 Quadratmeter großen Präsidentensuite sind nicht allein die Wasserhähne vergoldet. In der Toilette kann man sogar eine goldene Spültaste drücken.
Bisher war in meinem Budget keine Nacht in der 515 drin. Aber für 15 Minuten durfte ich sie mir anschauen.
„Everyone will be famous for 15 minutes“, sagte Andy Warhol 1968. Zum zehnten Geburtstag des Le Méridien konnten sich die Gäste für 15 Minuten präsidial fühlen. Denn alle – in Gruppen aufgeteilt – wurden für einen Besichtigungsquickie in den fünften Stock geführt. Zuvor bekam jeder eine Codekarte ausgehändigt. Ein lustiges Spiel: Wenn sich die Luxussuite mit dem Code öffnet, hat man sie gewonnen und darf eine Nacht in dem Bett schlafen, in dem sonst gekrönte Häupter, Popstars und Scheichs ruhen.
Als vor zehn Jahren Hoteldirektor Bernd Schäfer-Suren das frühere Interconti für die Méridien-Kette eröffnete, die damals der Investbank Lehman Brothers gehörte, gab es in Stuttgart nicht mal Stadtrundfahrten für Touristen. Heute sei vor allem dank der Porsche- und Mercedes-Museen das touristische Geschäft wesentlich besser, doch noch immer sieht Schäfer-Suren „Luft nach oben“.
Luft nach oben sah das Hotel wohl auch in Sachen 515. Im Eröffnungsjahr 2004 hat die Präsidentensuite „nur“ 1850 Euro pro Nacht gekostet. Der Preis hat sich in zehn Jahren auf 4500 Euro mehr als verdoppelt. Die nette Hotelmitarbeiterin, die uns zu der Tafel im Esszimmer, zum Kamin, in den Wintergarten mit Laufband, zum 42-Zoll-Flachbildschirm vorm Doppelbett, zu der Bibliothek und dem Whirlpool für mehrere Personen führte, wollte nicht sagen, wer hier zu schlafen beliebt. Das Hotel sei der Diskretion verpflichtet. Aber ein Blick ins Zeitungsarchiv bringt’s ans Licht: Mick Jagger war hier, Maradonna, Kissinger, Königin Silvia. Bryan Adams entschuldigte sich im Gästebuch fürs Chaos, das er angerichtet hat.
Meinen Besuch in der Präsidentensuite habe ich mit dem Smartphone im Marmorbad festgehalten und damit bei Facebook spöttische Kommentare wie „In der Wanne ist nicht mal Wasser“ und „Sieht altbacken aus“ geerntet. Übrigens ist nicht alles großspurig hier. Die Präsidenten-Sauna ist winzig. Da würde Obama ausgestreckt nicht reinpassen.
Für 15 Minuten habe ich mit Sternekoch Frank Oehler, Entertainer Michael Gaedt und anderen in der 515 residiert. Luxus? Was für ein Tanz wird da oft um das Überflüssige gemacht! In Wahrheit werden selbst mit goldener Klospülung Sitzungsergebnisse nicht veredelt.