Das Erdige, das Kernige ist vor vielen Jahren schon am Neckarufer gestrandet. „Früher kam man sich komisch vor, wenn man eine Lederhose auf dem Volksfest trug“, sagt Festwirt Hans-Peter Grandl, „heute hat man ein komisches Gefühl ohne Tracht.“  Schöne Grüße vom Fasching. Alle verkleiden sich, was den Verlauf eines Festes prägt. Mit Kostümen traut man sich mehr. Und der einheitliche Look fördert obendrein das Gemeinschaftsgefühl. Man könnte es auch so formulieren: Die Lederhose trägt man, wie man eine Krawatte trägt, also um dazuzugehören.

Mit Stefan Frey vom CSD beim Wasenwirt auf dem Cannstatter Wasen: Das bunte Buch gab’s als Tombola-Gewinn

„Eine Lederhose ist total sexy“, findet  mein Kumpel Frank.  Eine große Sammlung des zutiefst männlichen Kleidungsstücks besitzt er und ließ nicht locker, bis er mich überreden konnte, es doch mal zu versuchen.

Rent a Lederhos! Der Freund lieh mir eine knielange Württemberger, weil er genau wusste, mit einem bayerischen Exemplar bei mir nicht landen zu können. Das Landeswappen ist an der Seite auf eine kleine Hosentasche gestickt. Der Volksfestveranstalter in.Stuttgart hat eine Württemberg-Kollektion bei Spieth & Wensky herstellen lassen. An altwürttembergischen Trachten orientiert sie sich, verhilft dem Vorbild aber zum „zeitgemäßen Look“, so steht’s in der Werbung.

„Hi Uwe, wieso trägst du als Stuttgart-Fan eine bayerische Sepplhose?“

Um die Knöpfe meiner geliehenen Hose zu schließen, muss ich tief, sehr tief einatmen. Knackig eng soll sie sitzen, hat der Freund gesagt, Leder weitet sich sodann. Top, die Wette gilt! Gewonnen hab‘ ich, wenn es von mir kein Foto in Jeans vom Wasen 2022 gibt. Oben seht ihr ein Foto mit der SWR-Frau Tatjana Geßler, hat der Lederhosen-Leiher Frank gemacht. Bin auf dem besten Weg zu siegen. Lass mich selbst von dieser Mail nicht abhalten: „Hi Uwe, wieso trägst du als Stuttgart-Fan eine bayerische Sepplhose?“ Sieht man meinem edlen Teil nicht an, wo’s herkommt? Made in Württemberg!  

Was macht die Krachlederne aus einem Mann? Macht sie ihn maskuliner, steigert sie das Imponiergehabe? Mein Eindruck: Breitbreiniger steh’ ich da als mit Jeans. Selten werde ich so oft auf Kleidung angesprochen. Wer starrt da auf meine Wade? Es liegt eher am Bier als an meiner Lederhose, dass beim Lästern nun die Post abgeht.

Lästern verbindet und stärkt den Selbstwert. Wer lästert, signalisiert dem anderen, dass er ihm vertraut. Ganz wichtig: Wenn sich der, über den du gelästert hast, zu dir an den Tisch hockt, strahlst du ihn an und lästerst mit ihm über andere.

Erfunden wurde die Lederhose als bäuerliche Arbeitskleidung. Sie war günstig, weil die Bauern sie aus den Häuten ihrer Tiere schneiderten. Kirche und Obrigkeit waren dagegen, weil sie eine Aufwertung der unteren Klassen darstellte und weil nackte Waden als „sittenwidrig“ galten. Deshalb mussten in Württemberg die Socken bis zum unteren Teil der 3/4-Hose hochgezogen werden.

Die Lederhose sollte eine Patina mit speckigem Glanz haben, was häufiges Tragen begünstigt. Sie ist nachhaltig, weil sie ewig hält. In die Waschmaschine gehört sie nicht, sondern an die frische Luft. Früher, erfahre ich, hat man nichts drunter getragen, weil sie so eng sitzt. Einer erzählt, er habe die Lederhose bei 90 Grad gewaschen. Da ist sie auf ein winziges Quadrat geschrumpft und war bocksteif. Im Mittelschiff hüpfen Kerle in Lederhose auf Bänken – mit weißen Sneakern! Für Trachtenpuristen ist dies ein  modischer Fauxpas. Auf dem Wasen sollte sich jeder so wohlfühlen, wie er will. Vielleicht kauf’ ich mir mal eine eigene Lederhose. Es ist nie zu spät für ein erstes Mal.

Charity-Veranstaltung von Kiwanis auf dem Wasen: Das „bunte Stuttgart“ gehörte zu den Tomobola-Gewinnen. Foto: Engelhard

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