Respekt hat viele Facetten. Wer andere Menschen wertschätzt, nimmt sie ans gleichwertig wahr. Achtung und Akzeptanz helfen im Miteinander sehr. Auch die Vergangenheit hat Respekt verdient – doch der geht in Stuttgart leider immer mehr öfter verloren. Um die Gegenwart zu verstehen und für die Zukunft zu lernen, müssen wir zurückblicken. Wir müssen in Ehren halten, was Generationen vor uns geschaffen haben.

Ein Spaziergang durch Stuttgarts City kann ernüchternd sein. Kürzlich habe ich in StZ und StN geschrieben, dass Freunde der Stadtgeschichte fassungslos sind, weil das Land die beschädigte Brunnenfigur Kocher auf dem Schlossplatz nicht restaurieren will. Der amputierte Bub, ein Opfer von Vandalismus, ist 1863 erschaffen worden – jetzt steht er ohne Oberarm und Oberschenkel da und die Denkmalschutzbehörden juckt’s nicht. Kaum zu glauben! „Authentizität“ sei Merkmal eines Kulturdenkmals, ist mir auf meine Presseanfrage geantwortet worden. Kaputtmachen wird damit legalisiert. Als ich jetzt an dem Springbrunnen vorbei lief, hat mich nichts mehr gewundert. Eltern lassen zu, dass Kinder auf den historischen Figuren turnen. Warum wird dieser Bereich nicht abgesperrt, wenn das Wasser abgestellt ist? Vielen fehlt der Respekt vor der Vergangenheit, sehr schade,

Auch im Bohnenviertel geht’s um Respekt, um die so wichtige Auseinandersetzung mit der Historie. Schön geworden ist das neue Lokal von Laura Halding-Hoppenheit mit frisch gestrichenen Wänden der über 400 Jahre alten Fassade. Doch noch fehlt was. Die drei Jungs wurden abgehängt, obwohl sie Bestandteil der geretteten Vergangenheit sind.

Als jemand, der seit zehn Jahren das Stuttgart-Album macht, sich also Intensiv mit Stadtgeschichte aus Leidenschaft befasst, sage ich: Geschichte darf man nicht verstecken, auch wenn sie einem nicht passt, man muss sich damit auseinandersetzen und aufklären. Deshalb plädiere ich dafür, die Figuren aufzuhängen, wo sie hingehören und alles auf einem Schild zu erklären. So sieht es auch der Verein, der die Fassade in den 1970ern vor dem Abriss gerettet hat. Sonst müsste man quer durch die Stadt „aufräumen“, den Kaiser auf dem Karlsplatz und noch viel mehr verschwinden lassen. Geschichte verlangt mehr von uns. Auch wenn es manchmal nicht einfach ist und wehtut.

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