„Entdeck’ die Katze in dir“, steht auf der rosaroten Verpackung. Bonbonfarben umhüllt ist das Parfüm jener wasserstoffblonden Pfälzerin, die wie der Kohl aus Ludwigshafen kommt, bei jungen Leute aber viel bekannter ist. Es geht also um das Medienphänomen Daniela Katzenberger. In Stuttgart stellt die 25-Jährige auf der fast wegen Überfüllung gesperrten Königstraße ihren Duft vor. Wenn ich dieses Parfüm auf mich sprüh’, wird dann die Straße frei?

Zum Warentest stifte ich am Abend meine Auserwählte an, mit der ich das Stuttgarter Sommerfest besuche. Ihr Widerstand ist zwecklos. Heftig richte ich Katzenbergers Flakon auf sie. Süßlich zischt eine Wolke auf sie. Als Versuchskaninchen riecht meine Beste so streng nach Katze, als habe man sie darin mariniert. Im Praxistest wollen wir herausfinden: Wie reagieren die Menschen auf diesen als „sexy und frisch“ beschriebenen Geruch? Oder ist der Duft der Drogeriekette das, was man Nuttendiesel nennt?

Wir besuchen die Sommerfestparty mit der höchsten Millionärsdichte. Der Nobelhändlerverbund Equipe hat 500 in Weiß gekleidete Gäste unterm Motto „One Night in Havanna“ ins Wilhelmer-Zelt eingeladen. Um gleich vorneweg ein Fazit unseres kleinen Experiments zu ziehen: Die Reaktionen auf den Rosaduft sind besser als erwartet. Weil die befragten Stadt-VIPs aus Höflichkeit nicht ehrlich sind? Oder weil das Katze-Parfüm wirklich so „super schnuffelt“, um es in der Sprache des TV-Stars zu sagen?

Rückblende:

Die „Schnufflerin“ steht auf dem roten Teppich der Königstraße. Lilafarbenes Kleid mit Gürtel. „Die ist ja gar nicht so dünn“, wird in der Menge getuschelt, in der die Smartphones ohne Pause klicken. Wie oft hat sie schon hören müssen, horizontal sei sie zum Erfolg gekommen. „Alle sagen immer“, sagt sie, „ ich habe mich nach oben gepoppt – aber das ist völliger Quatsch.“ Noch nie habe sie „Sex mit Vox“ gehabt. Vox ist jener Sender, der ihr eine Doku-Soap gab, womit alles anfing. Nein, sie habe es ganz von alleine so weit geschafft. Ganz allein sorgt die Katze dafür, dass sich Hunderte stundenlang für ein Autogramm anstellen und dass Radio-Reporter die Ober-Reich-Weite von Deutschlands blondestem Blondchen erörtern wie die Expertise über eine Kunstfälschung. „Ihr Busen sieht gar nicht nach Silikon aus“, spricht der SWR-Reporter fast feierlich ins Mikro, „sondern ganz natürlich.“

Was ist schon wahr? Nichts ist echt an der Katzenberger, nicht mal ihre Dummheit.

Aber alles ist witzig gemacht und fügt sich zu einem zu grellen Quietschepüppchen passend zusammen. Ein Kunstprodukt mit großer Klappe, bei dem jeder mitsprechen mag. Man sagt natürlich, dass einem die Zeit zu schade sei, Danielas Doku anzuschauen. Aber neugierig ist man doch.

Als in den 1950ern die Sehnsucht nach Illusionen erwuchs, sorgten Weltstars wie Errol Flynn für Begeisterung und Chaos auf der Königstraße. Heute schafft dies ein Blondy mit Bling-Bling-Fassade. Was sagt dies über unsere Zeit aus? Oder wiederholt sich alles nur? Marylin Monroe war eine Stil­ikone. Die Katze wird It-Girl genannt.

Plötzlich wird mir in der Pressezone ein Mikro unter die Nase gehalten. Ob denn die Katzenberger mein Typ sei, fragt ein SWR-Kollege. „Nein. überhaupt nicht“, antworte ich, „zu jung, zu blond, zu naiv.“ Um ehrlich zu sein: Sympathisch ist sie schon. Bewundernswert, wie sie mit der Masse umgeht und herzig Fragen beantwortet. „Weich gespült“ solle ihr Traummann sein, sagt sie. Aber die Olympia-Sportler sind ihr zu dünn. Stuttgart gefällt ihr gut. Oft fahre sie mit dem ICE von Ludwigshaufen in einer Dreiviertelstunde hierher, laufe dann mit Mütze und ungeschminkt umher, um nicht erkannt zu werden. Bei der Equipe-Party auf dem Sommerfest ist sie am Abend aber nicht dabei – nur ihr Duft begleitet uns.

Blindverkostung. Keiner weiß, dass die Dame an meiner Seite das Katzenberger-Parfüm trägt. Ich bitte Experten um eine Einschätzung dieses Duftes. Mattias Mussler, Chef der gleichnamigen Parfümeriekette, beugt sich herunter. „Riecht fruchtig und sommerlich“, sagt er. „Nicht schlecht“, lobt Bürgermeisterin Susanne Eisenmann. „Duftet wie der Apfelkuchen meiner Oma“, findet Bandleader Berti Kiolbassa. „Interessant“, urteilt Christian Witt, der Medienchef von Breuninger. Die Überraschung ist groß. Keiner will glauben, dass es sich um Katzes Duft für 11,95 Euro handelt.

Wir kämpfen uns durch die wogende Masse Mensch des Sommerfestes. Alle Gerüche der Welt scheinen hier versammelt. Oberhalb des Eckensees sitzen fünf wasserstoffblonde Frauen an einem Tisch und trinken Rosé-Sekt. Sie sind noch dicker geschminkt als die Katze, aber mindestens doppelt so alt wie die 25-jährige Pfälzerin. Ihre solariumgebräunten Gesichter zeigen, wie hart der erfolglose Kampf ist, jung zu bleiben. Sofort muss ich an La Katzenberger denken. Wird sie eines Tages auch so aussehen?

Ach, was! Eine Katze hat sieben Leben. Sie lässt das Mausen nie. Und was ist mit uns? Ich such‘ die Katze in mir immer noch.

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