Überbacken mit Kräutern – so wird sie vielfach geliebt. Auf die Speisekarte hat es die Weinbergschnecke (Helix pomatia) schon lange geschafft – mittlerweile aber auch zum Vorbild. Das glibbrige Geschöpf ist das Logo der Vereinigung Slow Food.
In hektischer Zeit ruft Slow Food zur Langsamkeit auf. Genussvoll und achtsam sollen wir sein. Was langsam reift, das altert spät? Wir haben gelernt, nicht zu hastig Nahrhaftes in uns reinzustopfen. Jetzt sollen wir auch noch ganz gelassen möglichst gut aussehen. Slow Mood ist das neue Zauberwort dafür. Hat sich in Anlehnung an Slow Food ein Hersteller von Naturkosmetik ausgedacht. Vom Nordrand der Schwäbischen Alb will die Bad Boller Bioschminkmarke die kosmetische Welt erobern. Dr.Rudolf Hauschka, ein Mitglied der Wandervogel-Bewegung, fing 1935 damit an, anthroposophische Arzneimittel ohne chemische Zusätze zu entwickeln. Auf alten Fotos sehen wir den 1969 verstorbenen Firmengründer schelmisch lächelnd mit Baskenmütze. In guter Tradition trägt Karim Sattar, 36, seit Januar Chef-Visagist von Dr. Hauschka, den Schalk im Nacken samt Piercing im Ohr.
Wie ein Wandervogel fliegt der Hamburger durchs Land, um möglichst viele Frauen und auch einige Männer für Slow Mood zu begeistern. Der Mann, der Stars wie Jane Fonda und Charlène von Monaco verschönert hat, macht’s mit vollem Körpereinsatz. Wer mit ihm spricht, wird getätschelt. Mal legt sich seine Hand auf deinen Unterarm, mal auf deine Schulter. „Lassen Sie Ihre Hände aus dem Gesicht“, rät Sattar bei seiner Schmink-Show im „Home of Beauty“ von Mußler in der City. Die Finger seien nun mal Keimträger – große Gefahr für die Gesichtshaut!
Was sollen Männer tun? Besser keine Grundierung eines Make-ups verwenden, empfiehlt der Profi. „Sieht doof aus, wenn Farbe in den Bartstoppeln hängt.“ Mit dem Bronze-Pulver dürfen wir uns Glanz verleihen, die Augenbrauen farblich auffrischen und kleine Unebenheiten überdecken. Daheim berät Sattar übrigens einen Broker. Sein Lebenspartner ist Devisenhändler. „Einer muss ja das Geld nach Hause bringen“, sagt er und lächelt. Unentwegt verteilt er Komplimente ( „Ach, sehen Sie gut aus!“) und rennt plötzlich auf eine Kundin zu, auf deren T-Shirt „Dior not war“ steht. Der Visagist würde der Dame am liebsten den bedruckten Stoff vom Leibe wegkaufen. „Aber ich brauch’ XL – mit meinem Hüftgold“, schiebt er schmunzelnd nach.
Am Ende bekommt Sattar von Hausherr Mattias Mußler das rasch besorgte Not-war-Shirt geschenkt, das bereits mehrere hundert Mal in Stuttgart (für 49,90 Euro) verkauft worden ist. Zuvor muss Sattar freilich Slow Mood rühmen, auf dass daraus ein Trend wird.
Wann gibt es ein Shirt mit der Aufschrift „Hauschka statt Huschhusch“? Mit warmen Farben, sagt der 36-Jährige, würde Slow Mood die „gesunde Gelassenheit von innen nach außen bringen“. Doch was ist, wenn einem die innere Gelassenheit abhandenkommt? Man sollte Herrn Sattar aufsuchen, der muntert alle auf.
Die Frau, die es in Deutschland gerade am härtesten trifft, braucht rasch einen Termin bei ihm. Auf keine andere wird so heftig eingeprügelt wie auf Bettina Wulf, auf die Frau des glücklosen Kurzzeit-Präsidenten. Dabei gehört schon Mut dazu, wenn man Bettgeheimnisse in der Öffentlichkeit ausplaudert, von der man sich bedrängt fühlt. Mit Leibwächtern im Hotelzimmer nebenan sei die Furcht groß, dass die hören könnten, was Erwachsene im Schlafzimmer mitunter tun, muss in dem Jetzt-nerv-ich-Buch von Bettina Wulff stehen, das ich nie lesen werde, weil mich schon genügend anderes nervt. Der „Spiegel“ sieht die „Würde des Amtes“ verletzt, bei Amazon wetteifern Hunderte von Spöttern um den noch nicht ausgeschriebenen Preis des allerbösesten Verrisses. Slow Food ist ein Hit, Slow Mood folgt – der nächste Trend kommt garantiert schneller, als eine Weinbergschnecke voranschleicht. Locker bleiben, auch wenn man innerlich kocht, muss das Motto sein – von Slow Wut.