Damen in Glitzerkleidern tanzen auf den Tischen. Bündelweise fliegen Papierservietten und überziehen am Ende den Boden flächendeckend. Die pure Lebenslust bricht durch, weil griechische Sparziele, die nie erreicht werden, weit weg sind. Und weil genug gejammert wird in dieser Welt.
Das Cavos, der hippe Grieche aus München, der an der Isar Promis und das junge Partyvolk lockt wie der europäische Rettungstopf die Hellenen, hat im x-ten Anlauf seine Stuttgarter Dependance an der Lautenschlagerstraße mit einer wilden Nacht eröffnet. Inhaber Florian Faltenbacher, der mit Petro Bakritis große Tavernen mit lockerer Gastfreundschaft und Tanz zu runtergedimmten Licht nach 22 Uhr betreibt, stöhnte leise. Reichen die Tzatziki und Fakes? Über den Unterschied von München und Stuttgart wird oft gesprochen. Faltenbacher beschreibt ihn mit Zahlen: „Wenn ich in München zu einer Vip-Party einlade, kommen 50 Prozent – in Stuttgart kommen 150 Prozent.“ Also besonders gern jene, die gar nicht eingeladen sind. Aber bitte, wenn die Griechen mal alles für uns zahlen.
So, Schluss jetzt mit Späßen. Solidarisch verzichtet dieser Blog auf Griechenwitze aller Art. Die machen die Griechen schon selbst über sich.
In der früheren Schwulenbar Laura ist nun das Cavos mit 350 Sitzplätzen gelandet. „Sieht super aus“, lobte die einstige Chefin Laura Halding-Hoppenheit das puristische Interieur des Designers Panagiotis Desfiniotis. Vor zweieinhalb Jahren hörte Laura hier auf, wartet bis heute vergeblich auf die Ablöse, die ihr der Nachmieter vorenthielt, der schon pleite war, bevor er sein italienisches Restaurant eröffnen konnte. Jetzt ist er über alle Berge – und von Cavos kann sie nichts erwarten. Die Wirtin strahlte trotzdem. „Ach, was ist schon Geld?“, sagte sie entspannt. An Tagen wie diesen ist alles auch so schön. Mit dem Designer Harald Glööckler stand sie gerade in ihrem Kings-Club vor den Kameras einer Vox-Soap. Was ist schon Geld? Viele Besucher der Eröffnungsparty sahen aus, als hätten sie genug davon. Oder sie tun auch nur so, als hätten sie was. Manche fühlten sich an die Fernsehserie „Kir Royal“ erinnert, in der die Münchner Hautevolee auf Tischen tanzt, während der Ich-scheiß-dich-zu-mit-meinem-Geld-Generaldirektor Haffenloher alias Mario Adorf von draußen nur zuschauen darf.
Drinnen im Cavos liefen sich zwei Blaue über den Weg. Für Frauen der absolute Gau. Die hat das gleiche an! Abseits-Chef Winni Klenk und Boss-Black-Designer Gaston Bonni (Foto von Max Kovalenko) lagen sich dagegen in den Armen. Beide stehen halt auf die Modefarbe in einem ganz speziellen Blauton. Breuninger-Sprecher Christian Witt berichtete von Demonstranten, die gegen Pelz vor der Tür stehen. An Tagen wie diesen werfen Kellner im Cavos Servietten und blasen dann schnell die Kerzen aus, weil was in Brand geraten ist. Das erste Fest der Münchner Party-Taverne – man hat’s auch so gespürt – hat in Stuttgart gezündet.
Worauf sollen wir auch warten mit dem Feiern? „Es geht alles so schnell“, weiß Peter Grohmann (Foto von Silvi Brucklacher). Der Kabarettist bittet an diesem Samstag, an seinem 75. Geburtstag, zu einem Benefizkonzert der Brenzband für verfolgte Künstler ins Theaterhaus. Grohmann blickt nach vorne: „Ich proklamiere die Zukunft und werde 100.“ Ist es nicht leichter geworden für einen, den man „Altlinken“ nennt? Der Anstifter sieht’s anders: „Jetzt, wo man im Herzen einer Stadt lebt, in der alles Rote grün wird – statt umgekehrt –, ist eher das Anecken als das Glattstreichen wichtig.“ Seine größte Hoffnung: „Dass ich Opposition bleibe, auch wenn Stuttgart bebt.“ Die Stadt sei aufmerksamer geworden, höre genauer hin, das gefällt ihm gut. Dann wird der Kabarettist philosophisch: „Ich bin in Eile, doch meine Tage schleichen nicht, sondern stehen vor der Tür: Einsteigen, sagen sie, und weiterträumen. Die Träume sind ja nicht von gestern.“ Aus erfüllten Träumen werden neue Träume, Herr Grohmann. Alles Gute bis 100!