Hoffentlich geht es Ihnen, liebe Leserinnen und liebe Leser, nicht so wie der armen Tante des 1969 verstorbenen Fabrikanten Horst Hugendubel. Die alte Dame hatte nämlich nur einen einzigen Reiz – es war der Hustenreiz. Damit nicht genug. „Und ihren Charme hat sie in der Straßenbahn stehen lassen“, war auf einer Werbekarte der 1950er Jahre zu lesen, die glücklicherweise sogleich die  Lösung des Problems wusste: „Jetzt kriegt sie einen neuen Schirm vom Hugendubel.“

 

Gut,  dieser Reklametext war nicht gerade senioren- oder tantenfreundlich, er  war politisch unkorrekt, würde man heute sagen. Horst Hugendubel, Chef einer Stuttgarter Schirmdynastie, galt als Visionär seiner Zeit. Er hatte nicht nur selbst viele gute Ideen, sondern auch eine Frau mit guten Ideen.  Von ihr stammt die Idee zu einem Schild,  das man heute  „legendär“ nennt.  1942, als sie hörte, was sich in der Fundsachenstelle der Straßenbahnen massenhaft anhäufte, war ihr der über Jahrzehnte eingesetzte Werbespruch eingefallen. „Vergiß nicht deinen Hugendubel“, stand da drauf. Ein Schaffner lehnte sich mit einem Schirm weit raus aus dem Wagen.  

 Im Stuttgart-Album, der Facebook-Seite zum Buch „Stuttgart – Eine Stadt verändert ihr Gesicht“, ging es kürzlich um Straßenbahnen, als die noch auf der Neuen Weinsteige oben blieben. Viele erinnerten sich an lange Fahrten  mit dem Sechser von Echterdingen nach Stuttgart. Einer postete ein Schwarz-Weiß-Foto des berühmten Schildes. Daraufhin meldete sich  Regine Hugendubel, Chefin einer Eventagentur in Warmbronn bei Leonberg und Tochter des Schirmfabrikanten. Sie schickte  das Schild in Farbe. Es wurde sehr spannend. Frau Hugendubel weiß viel zu erzählen. Kein Wunder, denn sie ist als „Knirps geboren“, wie sie selbst sagt. 

 Ihr Urgroßvater hatte die Firma 1833 gegründet.  Ihr Großvater war königlicher Hofschirmlieferant des letzten Königs von Württemberg, ihre Mutter hatte die Idee zum Schild, ihre Stiefmutter musste 1999 den Laden an der Hirschstraße schließen – die Konkurrenz aus Asien war zu groß. In den besten Zeiten – als man noch in Stuttgart mit Regen Geld verdiente –  konnte Hugendubel, die drittgrößte Schirmfabrik in Deutschland mit 100 Mitarbeitern auf einer Produktion von vier Etagen an der Hirschstraße, weltweit  exportieren. Eigentlich müsste Regina Hugendubel ihre Familiengeschichte aufschreiben. Es würde bestimmt ein Bestseller beim Hugendubel werden. Auch zu der  Buchkette aus München bestehen verwandtschaftliche Beziehungen.

Lassen wir es die Eventmanagerin selbst erklären: „Der Bruder meines Urgroßvaters, in Stuttgart geboren, hatte nach seiner Lehre in Stuttgart die Buchhandlung in München gegründet. Meine Tante Anneliese Hugendubel und mein Vetter Heinrich  haben das Unternehmen expandiert.“ War das gar die Tante mit den raren Reizen? Regine Hugendubel winkt ab: „Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.“

Hustenanfälle werden wahrscheinlicher, wenn man bei Regen ohne Schirm unterwegs ist. Notorische Schirmvergesser greifen gern auf Werbeschirme zurück, die man geschenkt bekommt. Die sind made in Fernost. In Europa gefertigte Meisterware kostet mindestens 100 Euro pro Exemplar. Und dann lässt man das Ding in der Stadtbahn liegen!  Man wird ja nicht mehr gewarnt – die legendären Schilder gibt es seit 1999 nicht mehr in den SSB-Wagen. Ein asiatischer Herstellername wäre in unseren Breiten auch nicht so klangvoll wie Hugendubel. Vergiss nicht deinen Wang-Zhan-Li oder so – wir würden  uns einen Knoten in den Mund schwätzen.

 Der  schöne Name Hugendubel hallt noch lange nach. Die Älteren unter uns Stuttgartern werden ihn nicht aus dem Gedächtnis verlieren. Vergiss nicht deinen…. Viele haben Stunden, ja Wochen und Monate in der Strambe verbracht.  Solange wir die eigenen Erinnerungen nicht vergessen, besteht noch Hoffnung.

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