Der Boden der Tatsachen ist für ihn Feindesland.  Auf den Boden der Tatsachen knallt er immer  wieder und holt sich dabei heftige Blessuren. Aber was ein richtiger Träumer ist, der lässt das Schweben nicht. Der fantasiert sich stets aufs Neue in die höchsten Höhen und weit, weit weg. Dorthin, wo man Wolken verschiebt.

Der Träumer.  Es mag sein, dass es der Träumer im Berufsleben schwerer hat als seine Widersacher, der Macher und der Realist. Manchmal aber ist ein gewisses Träumertalent in früher  Lebensphase der  Karriere durchaus dienlich. Einst  galten die Grünen als  von der Realität entrückte Visionäre.  Heute sind sie die Chefs  der Villa Reitzenstein und bald des Stutgtarter Rathauses.  Dieser Tage  fuhr ich mit dem Auto in die Stadt und träumte von Tempo  40. Wie schön wäre es doch, dachte ich, hätten wir   schon Tempo 40! Im Stau, der mich festhielt, kam ich selten über Tempo zehn hinaus.

In der Republik reibt man sich die Augen ob der grünen Proteststadt  Stuttgart. Das Spießerimage sind wir erstmal los. „Träum weiter“ sagt man zu Menschen, die man nicht ganz ernst nimmt. Wir aber fragen uns in diesem Herbst: Wo sollen wir in dieser Stadt zuerst träumen? Das Friedrichsbau Varieté ist seit der Premiere am vergangenen Freitag zu einer  Wunderwelt geworden, in der uns Mr Hobdoblin mit seinem Märchenhut  zu Seifenblasenpoesie führt, zu Meerjungfrauen ohne Meer, zu Wettläufern gegen die Zeit und zu einem Mann, der in einer Kuckucksuhr wohnt (alle Fotos hier von Sabine Schöneberg). Wir begegnen eigenartigen Geschöpfe, die Reparaturen an der Wirklichkeit vornehmen und schon mal vorgehen zurück in kindliche Unbeschwertheit.

Auf dem Cannstatter Wasen feiert am kommenden Freitag das Palazzo-Zelt Premiere mit  Artistik und traumhaftem Gaumenkitzel von Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt. Und auf demselben Platz  will das nächste Zelt einen der ältesten Musicalträume wahr machen –  „Cats“ entrollt am Sonntag den roten Teppich.  Damit nicht genug. Das Traumtheater Salome  fehlt seit drei Jahren nicht mehr in Stuttgart in der kalten, aber nicht gefühlskalten Jahreszeit.  Die Baustelle für Stuttgart 21 jedoch lässt keine Chance für Träume.  Harry Owens kann mit seiner Show „Weißer Schwan vom blauen Planeten“ nicht auf den angestammten Platz beim Planetarium. Jetzt geht’s zum Züblin-Parkhaus, wo am 10. November die Premiere im 32. Salome-Jahr gefeiert wird.

Stuttgart, einfach traumhaft, was sich hier tut. Die Eigenschaften des Träumers, steht auf der Seite www.typentest.de, sind „idealistisch, schwärmerisch, angenehm, spontan, sensibel, kreativ“. Hört sich gut an. Aber nur vier Prozent der Bevölkerung fallen laut dieser Webseite darunter. Zu den bevorzugten Berufen der Träumer, steht da, zählt der Musiker, Psychiater und Journalist. Da hab’ ich doch gleich mal den Typentest auf dieser Webseite gemacht. Und siehe da: Im ersten Anlauf hat man mich als Träumer entlarvt. Als ich den Test noch mal machte und nur eine Frage anders beantwortete, war ich der Komiker. Sieh an. So dicht liegen Fantasie und Klamauk beieinander.  Ist ja auch irgendwie komisch. Auf so vielen Bühnen hören wir gerade, wie wichtig das Träumen ist. Und was machen wir?  Wir verschlafen die meisten Träume einfach.  

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