Sehr cool, die neue Show im Palazzo. Cool im Sinne von herzerwärmend. Bei der Premiere von „Herzensbrecher und Gaumenkitzel“ auf dem Cannstatter Wasen meinten einige der Gäste gar, das beste Programm der letzten neun Jahre gesehen zu haben.
Ach, gebrochene Herzen! Um eine Volkskrankheit geht es also im rötlich glänzenden Spiegelpalast. Wer kennt sich da besser aus als Travestie-Lady Frl. Wommy Wonder? „Mir wurde schon so oft das Herz gebrochen“, sagt das Zwei-Meter-Fräulein , „dass es nach all den Klebeversuchen aussieht wie eine Tiffany-Leuchte.“ Wusch! Treffer! In dieser langen Premierennacht mit 360 geladenen Gästen knallen die Pointen auch aus den Reihen des begeisterten Publikums.
Ob man die Liebe feiern oder auch nur das Leid mit ihr vergessen will – zuweilen darf man herzensgut zu sich sein und sich was gönnen. Zwischen 79,90 und 139,90 Euro kosten die Karten (inklusive eines Vier-Gänge-Menüs). Ein Männertrio präsentiert das Programm, als Herzensbrecher werden die schick gekleideten Jongleure und Comedians vorgestellt (kaum hatte ich ein langes Interview mit Andreas Wessels geführt, ist er krank geworden und musste bei der Premiere von Beatboxer Robert Wicke ersetzt werden). Lodernde Herzen und flackernde Kerzen. Vieles ist Illusion. Sogar die Kerzen. Der Wachsstamm ist echt, doch ein elektrisches Flackern wird oben drauf gesetzt.
In Berlin und Nürnberg ist das Showkonzept bereits aufgegangen. Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt (alle Blogfotos von Max Kovalenko)freut sich, dass ihm im neunten Palazzo-Jahr Kreationen eingefallen sind, die es mit nur einer Ausnahme noch nie hier gab. „Der zweite Gang mit Gambas und Sankt-Jakobsmuscheln ist die einzige Wiederholung in all den Jahren“, sagt Deutschlands bester Koch. Am Mittwoch wird er 57. Dass man ihn kürzlich für sein Lebenswerk ehrte, hat ihm nicht gefallen. So viel habe er ja noch vor. Jedes Jahr freue er sich, nach Stuttgart ins Palazzo zu fahren, weil ihm die Welt der Artisten und Träume gut gefällt und inspiriert. Als Hauptgang präsentiert er ein butterzartes Angusrinderfilet mit Piemontaiser-Kruste gratiniert. Schon die Poesie der Menüsprache ist Musik. Beständig gut ist Wohlfahrt – und bleibt doch bescheiden. Goldig, wie er zum Schlussapplaus mit den Händen winkt.
Nostalgie hat Zukunft – so sehr, dass man die Vergangenheit neu bauen muss. Bis zur vorletzten Jahrhundertwende tourten die Zelte als Tanzpavillons durchs Land. Die Spiegel im Inneren und der rote Plüsch waren ein extravagantes Ambiente für maßvolle Ausschweifungen. Das Hamburger Palazzo-Unternehmen, Marktführer im Dinner-Show-Gewerbe, bespielt mittlerweile so viele Städte, dass die Zeltbauer in Belgien viel Arbeit haben. Der Spiegelpalast in Stuttgart ist völlig neu, hat nur noch sechs Säulen, so dass die Sicht deutlich besser ist. Alles neu – und doch inszeniert man Vergangenheit. Bewährtes lässt sich mit Innovativem ein – mit einem genialen Bauchredner, Smit trapaten-Eleganz und steppenden Zwillingen.
Peter Freudenthaler, mit dem Hit „Innocence“ seiner Band Fools Garden erneut auf Erfolgskurs, wird bei dem Showtitel ein wenig schuldbewusst. „Ich befürchte“, sagt er, „dass ich schon das ein oder andere Herz auf dem Gewissen habe und bitte inständig um Verzeihung .“ Bitte, der Mann ist Popstar! Klaus Renz, unser ewiger Fallschirmsprung-Weltmeister, warnt vor falschen Schlüssen. Auch wenn er immer mal wieder andere Damen ausführe, heiße das noch lange nicht, dass er ein Herzensbrecher sei. Außerdem bei der Premiere gesehen: der Ex-VfB-Star Karlheinz Förster, Fechter Alexander Pusch, die Radiomoderatoren Petra Klein, Michael Branik. Uli Diehr. Modedesigner Tobias Siewert, der mit seinem Kollegen Manuel Kloker das Label einelinie betreibt, will den Job des Herzensbrechers andere Männer machen lassen. „Ich will kein Herzensbrecher sein“, sagt er. „da bleibt immer jemand mit Schmerzen zurück.“ Viel lieber wolle er ein „Herzenseroberer“ sein. Punktlandung! Die Herzen des Publikums sind erobert.