„Ich stehe hier und kann net anders!“ Dieser Satz, mit dem Walter-ich-will-noch-mal-ran-Döring unlängst auf dem Parteitag der FDP seine Revolte beginnen wollte, hat rasch Flügel bekommen. Auch wenn die Partei dann doch anders konnte, hat der längst ausrangierte Minister Zitierbares der Nachwelt überlassen, geflügelte Worte also. ICH STEHE HIER UND KANN NET ANDERS! So sind die Schwaben eben. Sie können net raus aus ihrer Haut. Wer will ihnen das schon übel nehmen?
Hartmut Engler (Foto), der berühmteste Bietigheimer der Welt, ist der Dichtkunst für immer und ewig so pur verfallen, wie dies keinem anderen Bietigheimer Poeten in der gesamten Welt jemals gelingen wird. In seinem neuen Lied, das mich dieser Tage im Auto unvorbereitet traf, vom großen Schneidewind von SWR 1 beflügelt, gibt es diesen so schön verschnörkelten Vers: „Wenn der Niederlagenfrust an dir knabbert und nagt, / und sich nimmersatt in dein Selbstvertrauen frisst, / wenn die längst verdrängt geglaubte Angst unter deine Decke kriecht, / aber du, du hast sie gar nicht vermisst. / Dann hör mir zu, damit ich dir beistehen kann, / ja greif zu drück auf Play, nimm mich an.“
„Ich bin dein Lied“, so heißt das neue Lied von Pur. Auch wenn der Niederlagenfrust an mir knabberte, beschloss ich doch, mich niemals lustig zu machen über einen Hit, der „Ich bin dein Lied“ heißt. Eine Kette ist immer so stark wie ihr schwächstes Lied. Gilt dies nicht auch für die Stärke eines Volksstamms?
Wir Schwaben sind ja noch immer nicht hinreichend erforscht. Der frühere Fernsehjournalist Ulrich Kienzle, 76, der Araber und Schwaben für die interessantesten Völker hält, will in seinem neuen Buch „Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben“ die Frage klären, warum ausgerechnet die Schwaben, die als spießig und konservativ galten, einen Grünen zum Ministerpräsidenten wählten. Noch Fragen, Kienzle? Sein Forschungsergebnis nach Interviews mit Schwaben wie Mathias Richling und Natalia Wörner fasst der Autor zusammen: „Die Klischees stimmen schon lange nicht mehr.“
Bis zum eigentlichen Kern des Problems ist er aber nicht vorgedrungen. Was ist los mit einer Welt, in der man sich nicht mal mehr auf Klischees verlassen kann?
Am besten ist, die Schwaben übernehmen das Witzemachen und den Spott über sich gleich selbst. Dass schwäbische Kenntnisse in englischer Sprache frappierend sind, hat EU-Kommissar Günther Oettinger bereits bewiesen. Doch nun kann jeder mit folgender T-Shirt-Aufschrift seine schwäbisch-stolze Brust zum Schwellen bringen. „No one can reach mir the water“ steht auf dem Stoff, den es bei http://www.schwobahemd.de/ gibt.
Zum Schulanfang stecken Eltern ihre Kinder in ein Shirt, auf dem steht: „Herr Lehrer, was willsch wissa?“ Oder man fragt reihum: „Muksch uff?“ Übersetzt für alle, die alles außer Schwäbisch können: Muckst du auf?
Schwaben bekennen sich. Zu sich, zu ihrer Sprache, zu ihren Leuten. Bis uns die Welt versteht oder wir uns selbst, dürfen noch viele Kienzles Bücher und viele Englers Lieder schreiben. So, jetzt isch älles gschwätzt.