Oh nein, wie peinlich! Oft ist man nur einen Klick davon entfernt, im Boden versinken zu wollen. E-Mail-Pannen häufen sich, ob in Konzernen oder im Freundeskreis. Auch die Redaktion des „Nachtcafés“ hat „Vertrauliches“ falsch verschickt. Safer mailen – wie geht das denn?
Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert. Doch dann wird’s hektisch, man klickt nur einmal daneben – und schon gerät die elektronische Post außer Kontrolle.
Beispiel Bundestag: Eine Abgeordnete der Grünen bat eine Kollegin, ihr ein Exemplar des neuen Bundestagshandbuchs mitzubringen. „Liebe Britta“, schrieb sie, „wenn Ihr Euch eindeckt, bringt mir eins mit.“ Aus Versehen verschickte sie die Mail in Kopie („cc“) an alle 4000 Adressaten des Bundestagsverzeichnisses – an die Minister wie an die Pförtner. Viele antworteten und legten den Server lahm. Beispiel Daimler: Der Autobauer musste seinen Quartalsbericht eher veröffentlichen, weil in den USA eine E-Mail zu diesem Thema zu früh rausgegangen war. Beispiel Agentur für Arbeit: Zwei Angestellte hatten sich in Nürnberg über ihr Liebesleben ausgetauscht. Ein falscher Klick – die erotischen Anzüglichkeiten gingen an den gesamten Verteiler der Abteilung und von dort ans Boulevardblatt.
Oh mein Gott, das ist schlimmer als nackt im Büro! Hoch schlagen die emotionalen Wellen. Wie geschaffen für eine Talkshow. Lieber Wieland Backes, machen Sie doch mal diese Sendung: „Peinlich aber wahr – wie wichtig sind Blamagen fürs Leben?“ Links von Ihnen (von der Kamera aus gesehen) könnte eine Ihrer Mitarbeiterinnen sitzen (dort sitzen immer die schönen, verwirrten Frauen). Die Arme tut uns leid. In dieser Woche verschickte sie eine nur für die eigene Redaktion bestimmte Mail mit dem Betreff „Protokoll der Wochensitzung“ an den Presseverteiler.
Spätestens seit dem regen Gedankenaustausch der Herren Mappus und Notheis über Mutti Merkel und das liebe Geld lesen wir besonders gern die Mails, die nicht für uns bestimmt sind. Während ich also die gerade eingegangene Mail mit dem Betreff „Protokoll der Wochensitzung“ studierte, um zu wissen, wie es in der Redaktion vom dienstältesten und tiefgründigsten Talkmaster Deutschlands zugeht, rief mich eine aufgeregte Dame aus eben dieser Redaktion an. „Bitte versprechen Sie mir“, bat die TV-Kollegin, „dass Sie nicht journalistisch verwenden, was wir Ihnen soeben fälschlicherweise zugemailt haben.“ Was macht man, wenn’s für den anderen peinlich wird? Man macht Witze. „Was zahlen Sie?“, fragte ich.
Meine Anruferin war nicht zu Späßen aufgelegt. Weil uns allen Fehler unterlaufen, gab ich ihr das gewünschte Versprechen. Keine fünf Minuten später erreichte mich die nächste Elektronik-Post des „Nachtcafés“. Darin stand: „Wir bitten Sie eindringlich, die letzte Mail ,Betreff: Protokoll der Wochensitzung’ ohne Kenntnisnahme sofort zu löschen, da sie versehentlich an den falschen Verteiler geschickt wurde und vertrauliche Informationen enthält.“
Für so brisant hatte ich das Protokoll der redaktionsinternen Manöverkritik gar nicht gehalten. Doch der Hinweis auf „vertrauliche Information“ machte die Sache nun erst richtig spannend. Ich musste die Mail also noch mal lesen, weil Journalisten nicht fürs Wegschauen bezahlt werden. Und wie man das heutzutage so macht – man bespricht sich in seinem sozialen Netzwerk. Mein Klappe-halten-Versprechen verwunderte meine Facebook-Freunde. „Uwe, Du hast den Fingerzeig vom lieben Gott nicht gesehen, das ist eine lässliche Sünde“, schrieb einer, „du hättest den Pulitzer-Preis bekommen können – die nächste Chance dazu gibt’s vom Schicksal erst 2017.“ Und ein anderer meinte: „Jetzt ist es raus – das Nachtcafé ist eine Außenstelle vom CIA, und Backes wird neuer CIA-Direktor – oder warum haben die solche Geheimnisse?“
Geheimnisse! Ach, da steckt so viel drin! „Diskretion ist die Kunst, Geheimnisse so auszuplaudern, dass das Siegel der Verschwiegenheit unverletzt bleibt.“ Mit diesem Zitat könnte der geschätzte Moderator am Ende der „Peinlich, aber wahr“-Sendung glänzen
Lieber Herr Backes, ich schlage vor, bevor Sie ihre Mannschaft zur nächsten Sendungskritik trommeln, schicken Sie alle zur E-Mail-Schulung. Es gibt da ein paar Tricks. Um Missgeschicke zu vermeiden, sollten Ihre Leute wichtige elektronische Post in einem Dokument vorschreiben. Erst zum Verschicken sollte der Text ins E-Mail-Fenster kopiert werden. Es gibt da noch mehr Sicherheitsvorkehrungen, und Experten lassen sich dafür bezahlen.
Aber lassen Sie Fehler zu! Ohne menschliche Fehler könnten Sie Ihren Laden dichtmachen. Nur mit perfekten Menschen wäre keine vernünftige Sendung mehr möglich. Ganz unter uns, verehrter Herr Backes, also Ihr letzter Gast auf dem berühmten linken Platz neben Ihnen hat genervt. Die Chirurgen, die Micaela Schäfer behandelt haben, gehören bestraft. Wenn die nicht nackt ist, muss man in ihr zu heftig behandeltes Gesicht schauen.
Herr Backes, meine Kritik an Frau Schäfer ist eine streng vertrauliche Information nur für Sie, behalten Sie die unbedingt für sich. Alle anderen Leser sollten das Gelesene sofort löschen, wenigstens in Gedanken. Und passen Sie auf, lieber Herr Talker, dass Ihre Sex-Mails geheim bleiben, sobald Sie dann CIA-Chef sind.