Was hast du für ein Glück, lieber Blogbesucher, dass du nicht Teil eines Glamourpaars bist. Denn sonst wüsstest du nicht, ob deine Frau, die du morgens zur weltweiten Anteilnahme deines perfekten Glücks für ein Twitter-Foto geküsst hast, abends noch da ist, wenn du hungrig nach Hause kommst.
Möglicherweise müsste dein gerade ausgezogener Glamourhase zwischen Stiletto-Shopping und den Verlagsverhandlungen über Enthüllungsmemoiren erst mal der „Bunten“ erklären, warum normale Menschen ohne Glanz und Gloria keinen Schimmer davon haben, wie schwer es ist, zur Familie Wulff-van-der-Vaart zu gehören. Denn je höher du in den Himmel schwebst, desto tiefer wirst du fallen.
2013 ist das Jahr des Schlussstrichs. Ständig wird er gezogen. Im Palladium-Theater in Möhringen hat gerade die Stage-Entertainment „Rebecca“ den Laufpass gegeben. Der nächste Scheidungsschlag steht unmittelbar bevor. Der Wähler trennt sich von der FDP. Und keiner weiß, ob Frau van der Vaart als Ersatz für Helmut Berger den Direktflug ins Dschungelcamp bekommt oder doch lieber das schnelle Brüderle.
Wenn die Liebesgeschichten noch größer sind als das wahre Leben, sind wir entweder am Heulsusentisch von Reinhold Bäääckman – oder im Musical.
Kein Mensch zahlt 100 Euro, nur um einen netten Abend im SI-Centrum zu verbringen. Da muss schon mehr her. Ein tiefes emotionales Erlebnis, das Michael Kunze (Foto), einer der besten Musicalautoren Deutschlands, so beschreibt: „Man muss Ähnliches erleben wie sonst auf einer Reise oder bei einer ganz persönlichen besonderen Erfahrung.“ Bei der letzten Reise des Musicals „Rebecca“ im Stuttgarter Palladium-Theater (oben sehen wir das gefeierte Ensemble beim Schlussapplaus) erlebte ich Herrn Kunze in der Reihe direkt vor mir, und ich wusste, wie recht er hat. Denn hinter mir heulten bei der Dernière junge Mädchen wie Schlosshunde, obwohl sie den Ausgang kannten – sie hatten die Geschichte von der großen Liebe und der brennenden Treppe schon x-mal gesehen. Aus Hamburg war ein Fan angereist und schimpfte über die Spielpläne der Stage-Entertainment: „Die anspruchsvollen und guten Stücke kommen nie in den Norden hoch.“
Der freundliche Herr Kunze hörte das gern. Er ist kein Freund der Jukebox-Musicals, in denen Hits wie Kaugummi aneinanderkleben. Für den Autor von „Elisabeth“ und „Tanz der Vampire“ ist die Story alles. Bei ihm muss die Musik der Story dienen. Der Tanz muss die Geschichte weiterspinnen, sonst wird daraus nur Hopserei. Das Lob der Fanclubs ist dem Meister des Stückebauens sicher – nur die Kasse klingelt nicht so heftig. Nach einem Jahr ist’s aus mit „Rebecca“. Der 69-Jährige freilich hat die nächste Premiere vor sich: Am 23. Februar geht sein Musical „Moses“ im Theater St. Gallen an den Start – mit Thomas Borchert in der Hauptrolle, der schon bei „Rebecca“ glänzte. Die Musik zur Bibelstory stammt von Dieter Falk, der einst Pur produzierte.
Sitzt Kunze wieder an einem Musical?, frage ich ihn über roten Plüsch hinweg. „Ja“, sagt er. Um was geht es? „Das darf ich nicht sagen“, antwortet er, „aber das Stück kommt hoffentlich auch nach Stuttgart.“ Er wird doch nicht mit Dieter Falk an einem Pur-Musical sitzen? Aber vielleicht will auch das jemand sehen.
Qualität, das zeigt „Rebecca“, entscheidet nicht immer über Erfolg. Du solltest, lieber Blogleser, also zufrieden sein, wenn bei dir daheim, sagen wir, eher Quantität herrscht. Kann von Vorteil sein, wenn deine Gattin dick ist und nicht aussieht wie Sylvie van der Nervig, die jeden Fake twittert. Wenn wir so traurige Gestalten wie die einstigen First Ladys der Politik und des Fußballs erleben, wissen wir, wie gut es uns geht. Dann zünden wir Kerzen im Treppenhaus an (bis es abflackert) und halten ohne Gloria in der Familie ganz fest zusammen. Denn, ach, ja: Glanz ist oft nur Schein.