Rutschende Hosen können verdammt fies sein. Wo immer sich Menschen bücken, lauert die Gefahr. Achtung, womöglich blitzt das Dekolleté des Bauarbeiters von hinten hervor! Wie gut gefüllt ist es? Mit allem hatte ich gerechnet, als ich kürzlich den Bandleader Berti Kiolbassa für einen Absacker in dessen zweites Wohnzimmer begleitete, in dem er seit 15 Jahren mit der „Soul Night“ für Überfüllung sorgt. Wir gingen also in die neuerdings weltberühmte Bar des Stuttgarter Hotels Maritim. Nichts schien mir unmöglich an einem Ort, an dem Rainer Brüderle, the Most Sexismus Man Alive, eine gewisse Begegnung hatte – und prompt lud mich ein Weizenbiertrinker frontal zum Fremdschämen ein.
Hier ist der Fotobeweis:
So ungeschickt rutschte er auf dem Barhocker rum, dass sich Hemd und Hose voneinander entfernten und sich ein Ausschnitt seines Hinterteils offenbarte. Ist das nicht sexuelle Belästigung? Schon wieder die Maritim-Bar! Schon wieder ein sprachloser Journalist (diesmal männlich)! Ich fürchte, ich muss in einem Jahr in einem großen „Stern“-Artikel mein nächtliches Schockerlebnis aufarbeiten.
In einer Hotelbar verlieren Männer leicht die Kontrolle. Keine Frage, der FDP-Mann hat hier dummes Zeug geschwätzt. Aber es hätte – wie mir der Mann am Weizenbier vorgeführt hat – noch viel schlimmer kommen können!
So oft hat es noch keine Hotelbar der Maritim-Kette in die bundesweite Berichterstattung geschafft. Man müsste die Theke mit dem gepolsterten Haltegriff ins Haus der Geschichte stellen. Denn die Sexismus-Debatte in Deutschland hatte bei Barkeeper Marek seinen Ursprung. Sehr viele Journalisten hätten über seine Bar geschrieben, sagt Marek, aber es seien kaum welche selbst da gewesen. Es sind auch noch keine Busladungen mit neugierigen Menschen gekommen, die fotografieren wollen, wo sich Brüderle daneben benahm. Marek Danhel, der Barchef, bleibt gelassen. Ja, er erinnere sich genau an die fröhlichen Menschen der FDP, die nach jedem Dreikönigsball immer äußerst lange und ausdauernd an der Theke stünden. Doch wisse er nicht, was Herr Brüderle der „Stern“-Reporterin gesagt habe – weder er noch seine Kollegen hätten etwas gehört.
Marek schmunzelt, ohne genervt zu wirken, wenn er immer wieder auf das alles beherrschende Thema angesprochen wird. Kürzlich war eine Karnevalsgesellschaft in der Bar. Die Herren feixten wie zuvor schon in der Prunksitzung über die letzten hormonellen Zuckungen des liberalen Spitzenkandidaten. Es sind auch andere alte Männer spitz, ohne Kandidat zu sein. Wäre die Reporterin auf Zack gewesen, ist in der Hotelbar zu hören, hätte sie die Sache an Ort und Stelle erledigt. Auf Brüderles Hinweis auf Dirndl-Füllungen hätte sie sagen sollen: „Womit ist eigentlich Ihr Oberstübchen gefüllt?“ Oder sie hätte die große Mae West zitierren können: „Is there a gun in your pocket, or are you just happy to see me?“
An solchen Witzen beteiligt sich der Barchef nicht. Danhel weist in die Theken-Kunst ein. „Über Politik, Gesundheit und Religion rede ich nie mit den Gästen“, sagt der junge Familienvater. Werde eine Frau von einem Barbesucher belästigt, schreite er umgehend ein. Stilvoll soll’s bei ihm zugehen. „Smoke on the water“, spielt aus der hintersten Ecke die Pianistin.
Auf dem Wasser mag’s rauchen, dagegen ist’s seit einem Jahr in der wohl schönsten Hotelbar der Stadt verboten. Seitdem bleiben viele Gäste fort. Der Musiker Berti Kiolbassa, selbst Raucher, kommt trotzdem. Seit 15 Jahren ist er mit seiner Band MadChick of Soul Garant für ein brechend volles Haus. Mein Freund Berti hat in 15 Maritim-Jahren viel Sonderbares erlebt, wird aber umgehend unsere Freundschaft kündigen, wenn ich in diesem Blog weitere sexuelle Fehlgriffe von prominenten Gästen ausplaudere. Aber halt: Was zahlt eigentlich der „Stern“? Wenn ich Berti richtig verstanden habe, meint er, der Fall Brüderle sei vergleichsweise harmlos. Und dessen Anmachspruch sei obendrein ein dummer Oldie-Fehler, weil einfach nicht originell. Kiolbassa will den Oberliberalen zur nächsten Soul-Night am 9. März in die Maritim-Bar einladen. „Da muss er unbedingt kommen“, sagt der Bandleader, „denn bei uns ist es immer so laut, dass keine Frau hört, was ihr der Brüderle sagt.“
Eine super Idee, Berti! Bitte spielt doch bei möglichst vielen Wahlkampfveranstaltungen vor dem 22. September. Immer dann, wenn nervige Politiker das Wort ergreifen.