„Jonger, des hot Oier!“ So   klang es, wenn Wolle Kriwanek begeistert war. Vor zehn Jahren  ist er gestorben –  viel zu früh wie viele Rockstars. Der legendäre Sänger verkörperte schwäbische Coolness. 

 In Stammheim, wo er aufgewachsen ist, gibt es seit Mai 2009 die Wolle-Kriwanek-Straße. Als das Straßenschild feierlich enthüllt wurde, sagte sein Freund  Paul Vincent, langjähriger Gitarrist der Kriwanek-Band: „Solange Wolles Lieder gesungen werden, ist das Schwabenland noch nicht verloren.“

 So gesehen müssen wir uns keine Sorgen um Schwabylon machen. „Ufo“, „Stroßeboa“, die VfB-Hymne „Stuttgart kommt“ und all die  anderen Hits des  an Ostern 2003   mit 53 Jahren gestorbenen Rockmusikers werden  gerade oft gespielt. Am 20. April, seinem zehnten Todestag, gibt es gleich zwei Gedenkkonzerte:  Gitze & Band lädt zum  „Memorial-Konzert“  ins Bildungszentrum Weissacher Tal, am   selben Abend , 20 Uhr, bitten die Füenf  mit Kriwanek -Klassikern in kriwanekirmedie  Stadthalle Backnang. Die einen covern Songs, die anderen interpretieren sie mit A-cappella-Gesang neu – jeder  verbeugt sich  auf seine Art vor Wolle.

 So sehr sich seine Witwe  Irmgard Kriwanek, eine wunderbare, kluge und meist lebensfrohe Frau, die „Irme“ genannt wird,  über die vielen Lobeshymnen für ihren Mann freut,   so sehr fürchtet sie den Jahrestag seines Todes.  Der tiefe Schmerz kehrt zurück. „Da kommt so vieles  hoch“, sagt sie.

 Das Silchermuseum in Weinstadt-Schnait hat eine Gedenkausstellung zusammengestellt, die an diesem Sonntag um 13.30 Uhr eröffnet wird. Zu besichtigen sind alte  Plakate, Wolles Gitarren, Songtexte,  goldene Schallplatten  – Dokumente eines außergewöhnlichen Musikerlebens.

Als Irme Kriwanek diese Schätze aus  Schränken und  dem Keller holte, leuchteten Erinnerungen auf – je schöner sie sind, desto mehr tun sie weh.  Die Witwe ist ehrlich: „Ich dachte, mir würde das nicht mehr so nahegehen.“ Doch Wolle Kriwanek war ein Mann, der naheging. „Er war gradlinig, ehrlich, witzig“, sagt Bandleader Berti Kiolbassa, ein Weggefährte , „man konnte sich auf ihn immer hundertfünfzigprozentig verlassen und tolle Feste mit ihm feiern.“ Zusammen haben sie die Mercedes-Hymne „Silver Arrow“ geschrieben. Als Wolle starb, sollte Kiolbassa beim Formel-1-Rennen in Imola  spielen. „Wir konnten es nicht glauben, er war doch immer gesund“, erinnert er sich, „wir standen unter Schock.“

 Wolle hatte doch noch so viel vor. Ein Jahr vor seinem Tod  schrieb er  den Text für  das Musical „Der Zwölftonkavalier“, engagierte sich  für die Rockstiftung Baden-Württemberg, war leidenschaftlich als Lehrer und Kolumnist von „Sonntag Aktuell“.

 Schöne Erinnerungen schweben über den Wunden der Seele.  Irme  Kriwanek denkt gern daran zurück,  wie sie  im Jahr 1980 Wolle kennengelernt hat. Er spielte in einer Backnanger Disco.  So viel hatte sie schon von ihm gehört, er war ganz oben auf dem schwäbischen Gipfel – endlich wollte sie  auch mal den Mann live hören, über den alle sprachen. Nach dem Konzert kaufte sie eine seiner Platten am Tisch seines Managers. Schon kreiste der auf der Bühne so forsche Kriwanek  schüchtern um sie herum.  Er hatte ein Auge auf sie geworfen. Es dauerte, bis er sich traute, sie anzusprechen. Sie tauschten Telefonnummern aus. Nach zwei Wochen  rief er an und dachte, die schöne junge Frau  würde noch bei ihren Eltern wohnen. „Kann ich Ihre Tochter sprechen?“, fragte er. Sie war selbst dran.

Es begann eine Liebe, die weit über seinen plötzlichen Tod im Jahr 2003 hinausgehen sollte.  Worüber sich Irme noch heute amüsiert: „Bereits bei unserem dritten Treffen brachte er seine Eltern mit.“ Sie waren einverstanden. Jonger, die kannst nehma!

Der Tod kam ohne Vorwarnung. Er hatte noch sein Lied   „Halbzeit“ geschrieben und gesungen:  „Klar, wir sind noch jung / und nicht bloß in der Erinnerung  – / und doch ist unsere Halbzeit schon vorbei.“

Ein  Aneurysma pfiff sein Spiel zur Halbzeit ab. Kann das nicht jeden von uns treffen? Wissen wir, was in uns schlummert?  „Wolles Tod    lehrt uns,  intensiv zu leben“, sagt sein Freund Berti Kiolbassa, „man darf nichts auf die lange Bank schieben.“

Benny Kriwanek, 30, der Sohn des Musikers, findet es „unglaublich“, dass  es zum  Todestag seines Vaters so viel Resonanz gibt. „Wolle war   viel mehr als nur Musiker. Dass er zehn Jahre nach seinem Tod noch so   präsent ist, ist nicht selbstverständlich ,aber macht auch etwas stolz.“  Mit seiner Mutter besucht er  das Konzert der Füenf, mit denen  sie schon lange befreundet sind.

Wolle Kriwanek, ist oft zu lesen, habe den Schwabenrock erfunden. Der Begriff „Schwabenrocker“ gefiel ihm selbst  nicht. Er war ein Musiker, der den Blues in sich hatte und dabei zufällig schwäbisch sang, weil er sich halt nie verstellte. Aus dem Bauch heraus hat er die Welt verstanden.  Bestimmt jammt er jetzt im Himmel mit großen Kollegen.   Es sind  so viele Rockstars zu früh gegangen. Wolle dürfte sich freuen, wenn wir ihn   – ganz ohne Taschentücher – so richtig feiern.  Ja, des  hot Oier!

Ihnen gefallen bestimmt auch meine

weitere Posts