„Ich sag’s ungern, aber das Kleid geht gar nicht. Das ist Rollbraten auf drei Etagen.“ Für solche Sprüche lieben ihn seine Fans. Designer Guido Maria Kretschmer (Fotos von Leif Piechowski) gilt als TV-Durchstarter des Jahres. Bei Wittwer im Breuninger-Markt ist er bei der ersten Signierstunde seines Lebens wie ein Popstar gefeiert worden. Man fährt die Rolltreppen in den dritten Stock hoch und kommt nicht aus dem Staunen raus: Fast nur Frauen stehen in der Schlange, die sich über die gesamte Etage bis ins Breuninger-Hochhaus zieht.
Was nur finden die Frauen so gut an ihm? Bis zu dreieinhalb Stunden haben sie bei Wittwer auf ein Autogramm von ihm gewartet. „Der Kretschmer ist großes Kino“, sagt eine von ihnen. „Der ist voll lustig“, hört man, „nie verletzend, immer ehrlich.“ Wenn Frauen so von einem Mann schwärmen, ist er für sie entweder wie George Clooney nicht erreichbar oder er ist schwul. Guido Maria Kretschmer, 48, der in der Vox-Sendung „Shopping Queen“ schon zur Nachmittagszeit Superquoten mit zehn Prozent Marktanteil hinlegt, lebt seit 26 Jahren mit seinem Freund und inzwischen Ehemann, einem Maler, zusammen. Diese Treue gefällt seinen weiblichen Fans. Hunderte von ihnen – die meisten zwischen 20 und 35 Jahren – haben ihn am Freitagabend kreischend empfangen. Sie mussten 20 Minuten warten, weil der TV-Star erst mal RTL ein Interview gab. Doch sauer schien deshalb niemand zu sein. Das Phänomen Kretschmer erklärt ein Fan so: „Bei einem schwulen Mann stehen die Frauen nicht unter Druck, immer gut aussehen zu müssen – er will ja nichts von ihnen.“ Und eine andere, die von ihrer Freundin erzählt, die den Designer als „total nett“ mit seinem Barsoi, einem russischen Windhund, bei einer Hundeausstellung in Berlin getroffen habe, rezitiert ihr Kretschmer-Highlight: „Am besten ist, wenn er sagt: ,Jetzt sieht sie aus wie eine ukrainische Kartoffelbäuerin.“
In Stuttgart schnauft er erst mal durch, bevor er was sagt. „Ihr seid süß“, kommt schließlich. Es klingt kratzig durchs Mikro. Die Grippe hat ihn erwischt, aber er macht die Termine für sein Buch „Anziehungskraft“. Ja, er habe das ganze Buch selbst geschrieben, er liebe Bücher und schnuppert in seines: „Wie das schon riecht!“
Shoppen ist eine Disziplin, die Frauen alles abverlangt. Stundenlange Ausdauer, Selbstzweifel, die Kondition eines Marathonläufers. Nur wenigen Frauen ist ein Mann gegeben, der das so lange aushält. Um zu überleben, retten wir Männer uns in lobende Sätze. Fragt die Liebste, wie das 35. Kleid aussieht, das sie soeben anprobiert hat, sagt der Mann zum Beispiel: „Gut, steht dir ganz toll!“ – auch wenn er gar nicht mehr hinschaut. Alles toll finden, das ist die Strategie, um heil aus der Nummer zu kommen.
Aber nicht alle Männer sind so. Dieser Kretschmer, der seine Karriere auf einem Hippiemarkt auf Ibiza begann, ist ein Mann, der Frauen das Gefühl gibt, sie ernst zu nehmen, und der selbst für den Figurtyp Walküre was Tolles findet. Der Designer teilt in seiner TV-Sendung zwar spöttisch aus. Aber immer so, dass sich die Zuschauerinnen darüber freuen, weil es nicht sie trifft, sondern eine andere, über die sie auf dem heimischen Sofa bereits lustig gelästert haben. „Bitte nein! Bitte nicht!“, ruft er aus dem Off der shoppenden Lady zu, die nach einer fürchterlichen Pulloverfarbe greift. Und alle daheim atmen mit ihm auf: „Sie nimmt es nicht. Gott sei Dank!“
Der Mann ist gefragt wie nie zuvor. Der Erfolg der „Shopping Queen“ macht ihn attraktiv für andere Sender. In der Jury von „Supertalent“ sitzt Kretschmer, bald in den USA in der Castingshow „The Face“ und hat obendrein das Ratgeberbuch „Anziehungskraft“ geschrieben. Wie also wird Frau oder Mann attraktiv? Eine Grundregel formuliert der Shopping-King so: „Reduziert sein, damit genügend Raum bleibt für den Menschen, der man ist.“ Seine Botschaft: „Jeder von uns hat was Schönes, egal in welcher Konfektionsgröße. Du musst nur sehen, dass du deine Vorzüge stärkst.“
Bei der Suche nach den Vorzügen müssten Freunde helfen, lernen wir von ihm. „Freundschaft bedeutet, aufeinander aufzupassen“, sagt Kretschmer, „du bist dein Sozius, dein Partner.“
Für die erste Signierstunde seines Lebens wählte Kretschmer Stuttgart aus – die Stadt, aus der Kollege Harald Glööckler kommt. Was hält er von Mister Pompöös? „Ich respektiere, was er macht, aber zwischen uns liegen Welten“, hat er geantwortet, „außerdem bin ich nicht in erster Linie ein schwuler Mann, sondern einfach ein Designer.“ Einer, der über aufgeklebten Strass im Gesicht lästert oder über Rollbraten, der über mehrere Etagen verteilt ist. Aber irgendwie klingt es immer lieb. . Was anderes kann ich hier auch gar nicht behaupten, weil es sonst Ärger mit Frauen gibt. Wir Männer üben lieber mal das Loben. Sucht mal -jeder von uns hat was Schönes!