Weit verbreitet ist der Drang, von der Meinung, auf die man sich irgendwann mal festgelegt hat, nicht nur niemals abzuweichen, sondern alles heranzuziehen, um diese bei jeder Gelegenheit zu bestätigen. Wenn schon was Neues her muss, besinnt man sich gern auf das Alte. Und deshalb hören wir überall, dies und das sei das neue irgendwas.
50 ist das neue 40, Schlau ist das neue Sexy, Genervtsein ist das neue Staunen. So geht es immer weiter: Kretschmann ist der neue Joschka Fischer, Langsam ist das neue Schnell, Helfen ist das neue Haben, das Vielleicht ist das neue Nein. Mir gefällt dieser Vergleichssport nicht, da ist so viel Blödsinniges dabei. Ich beteilige mich nie daran. Aber einen Spruch find’ ich so gut, dass ich ihn schnell noch loswerden muss: Donnerstag ist das neue Schwarz.
Twix war mal das neue Raider. Doch jetzt plötzlich ist Raider das neue Twix. Kaum ein Werbespruch aus den 1990ern – außer vielleicht „Isch habe gar keine Auto“ und „Paul? Wer ist eigentlich Paul?“ – hat sich so in unsere Alltagssprache reingedrängt wie „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“ aus dem Jahr 1991. Noch heute fällt dieser Spruch oft, wenn wir das Paradies unserer gemeinsamen Kindheits- und Jugenderinnerungen betreten wollen.
Die Namensänderung – angeblich aus Gründen des globalen Knusperns eingeführt, weil das Ding in England Twix (aus Twin Biscuits) heißt und Raider auf Englisch Plünderer bedeutet – war heftig umstritten. Viele behaupteten damals vor 22 Jahren, mit der Umbenennung habe sich in Wahrheit auch der Geschmack des mit Schoko und Karamell überzogenen Knusperkeks verändert. So ganz bekam der US-Konzern Mars Incorporated, der Hersteller des Schoko-Snacks, den Namen Raider nie aus den Köpfen der Deutschen. Doch im Zuge des Retro- und Regionaltrends (mein Provinznest ist das neue Paris) ist Raider auf den Markt zurückgekehrt.
Die Rechnung des Herstellers, im Süßregal endlich wieder für Aufmerksamkeit zu sorgen, scheint aufzugehen. Im sozialen Netzwerk ballern meine Facebook-Freunde mit Fotos vom Snackpapier herum, auf dem Raider steht. Man freut sich darüber, als habe man auf dem Flohmarkt eine blaue Mauritius entdeckt oder nach vielen Jahren seine große Liebe wiedergefunden. Immerhin war meine Neugierde geweckt, so dass ich mich in der Tankstelle nach Raider umgesehen habe.
Und tatsächlich, direkt an der Kasse leuchtet dieses Raider mit roter Schrift auf goldfarbenem Papier. Als ich danach griff, freute sich die Tankstellenpächterin und informierte mich: „Das ist ein Werbegag – gibt’s nur bis Ende November, dann steht wieder Twix drauf.“ Ob sie dank dieses Werbegags mehr von diesen Schokoriegel verkaufe als mit Twix, fragte ich. „Ach nein“, antwortete sie, „eigentlich nicht – den meisten fällt’s gar nicht auf.“
Fällt uns gar nicht auf, dass wir älter geworden sind? Wenn mittelalte Menschen von früher sprechen, sagen sie gern: „Als ich noch jung war, hieß Twix noch Raider.“ Was das im Umkehrschluss heißt – Raider ist wieder da! –, ist klar. Bevor uns die Werbersprache auf den Knusperkeks geht, muss eines noch gesagt werden: Twix heißt wieder Raider, das bringt uns auch nicht weiter. Leider.