Am Marktstand fragt eine schwäbische Kundin: „Hend ihr au en Dill do?“ – „Noi“, sagt der Händler, „aber a lange Gurk, des duads au!“
Dieser Witz ist onderschde Schublaade. Aber er rast gerade durchs Internet, jetzt, da ein großes Mundart-Ereignis bevorsteht. Am 21. Februar ist der Internationale Tag der Muttersprache, was einen privaten und einen öffentlich-rechtlichen Sender auf dieselbe Idee kommen ließ (oder wer hat’s von wem geklaut?): Regio-TV Stuttgart sendet sein „Abendjournal“ komplett auf Schwäbisch. Und das SWR-Fernsehen startet um 9.30 Uhr seinen Mundart-Tag. Am Abend in der „Landesschau“ darf Sonja Faber-Schrecklein mit Dialekt-Gästen schwäbisch ran.
Schwäbisch? Es gibt nix Besseres als ebbes Guads!
Seit 14 Jahren rufen die Vereinten Nationen am 21. Februar den Tag der Muttersprache aus – zur Rettung der Vielfalt. Von den etwa 6000 Sprachen, die noch heute weltweit gesprochen werden, sei die Hälfte vom Aussterben bedroht.
Schwäbisch gehört glücklicherweise zu jener Hälfte, die nicht auszurotten ist. Ganz im Gegenteil. Schwaben boomen wie noch nie. Bei meiner Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten, ist die Mitmach- Rubrik „Auf gut Schwäbisch“ der Renner. Dodokay hat mit seiner Bühnenshow „Die Welt auf Schwäbisch“ im ersten Anlauf die Porsche-Arena ausverkauft. Antenne 1 hält mit seinem neuen Programm das „Schwabenland“ hoch. Jeden Tag wird bei dem privaten Radiosender Schwabman zum Retten losgeschickt. Wenn etwa der Chines’ aus einer schwäbischen Burg einen Goldenen Drachen machen will, in denen die Menüs keine Namen haben, sondern Zahlen.
Schwäbisch? Isch obacha cool!
Am Tag der Muttersprache reden wir unverfälscht, verbergen nicht länger unseren schwäbischen Migrationshintergrund. Doch was ist mit der Vatersprache?
Der Vater hat sein Land, es gibt den Vater Rhein, aber die Mutter Erde. Und es gibt von allem etwas. Viele von uns sind zweisprachig aufgewachsen. Bei mir ist das zum Beispiel so: Meine Mutter ist Schwäbin, mein Vater kam aus Brandenburg. Was ich als Kind gelernt habe, war also eine Mischung aus Muttersprache (Schwäbisch) und Vatersprache (Hochpreußisch). Nur Schwäbisch schreiben lernen wir nicht.
Es gibt noch immer keinen schwäbischen Duden. Nahezu von jedem schwäbischen Wort sind verschiedene Schreibweisen im Umlauf. Das Lesen von Mundart-Texten ist oft mühsam. Schwäbisch hört sich besser an, als es gedruckt aussieht. Den Müsli-Mann in der Radiowerbung muss man mit dröhnender Stimme hören. Gelesen ist’s nur halb so lustig: „Woisch Karle, des dud au dir gut. Ond a gscheids Eeel fir dei Vrdauung.“
Schwaben, sagt Rapper MC Bruddaal (Foto oben), legen Wert auf Nachbarschaft: „Wenn der Nachbar schafft.“ Die schwäbische Sääle – wer kann sie ergründen? Dass Bayern stolz auf sich sind, ist so selbstverständlich wie das Bier auf dem Oktoberfest. Nur Schwaben sorgen für Gesprächsstoff, wenn sie sich nicht mehr klein machen und ihr Land gut finden, nicht ihr Ländle.
Jetzt also ist die große Zeit der Schwaben angebrochen. Dies könnte Reigschmeckte dazu verleiten, Schwäbisch zu reden, um nicht abseits zu stehen. Vergessen Sie’s! Schwaben erkennen auf Anhieb, wenn’s nicht echt ist. Also versuchen Sie gar nicht erst die Dill-do-Nummer auf dem Markt. Besorgen Sie sich lieber a gscheids Eeel fir d’ Vrdauung.