Dass wir auf Platz eins im Ranking der deutschen Kulturstädte gelandet sind, hat uns zwar nicht überrascht, aber doch erfreut. Ist schlichtweg top, wenn führende Ökonomen den wissenschaftlichen Beleg fürs hiesige Wohlfühlen liefern. Das Hamburger Welt-Wirtschaftsinstitut war’s, das Schwaben bei der „kulturellen Vielseitigkeit als Wirtschaftsfaktor“ ganz vorn eingestuft hat, also vor Berlin und so.
Da wir auch auf anderen Feldern führend sein, etwa was verlorene Lebenszeit im Stau betrifft, ist es nur folgerichtig, beide Qualitätsmerkmale zu kreuzen. Das Motto dafür könnte lauten: Selbst im Stillstand haben wir noch Kultur!
Mit einer „Guerilla -Marketing-Aktion“ sind zehn Bachelorstudentinnen der Media Akademie, wie sie in Pressemails wissen lassen, „in die Offensive gegangen“. Sie haben im Berufsverkehr eine „Stauzeitung gegen Langeweile“ verteilt. Darin geht es etwa um die Frage, wie man die Zeit im Stau sinnvoll nutzen kann.
Unangefochten sind wir die deutsche Stau-Hauptstadt. Weltstadt eben. Selbst in Paris, Rom oder Los Angeles kommen die Leute im Auto nicht stockender voran als in Staugart. Laut Navihersteller Tom Tom hängen wir Stuttgarter pro Jahr 89 Stunden im Stau fest. Ist doch Spitze! In diesen 89 Stunden können wir ungestört über das große Ganze nachdenken. Oder auf dem Weg dorthin mit kleinen Schritten beginnen, also noch ein bisschen mehr mit unserem Smartphone rumspielen.
Wer nicht das Glück hat, die Autoscheibe runterkurbeln zu können, weil eine hübsche Studentin davor steht, kann auf dem Smartphone unter http://www.stauzeitung.de das Kreativangebot der jungen Menschen digital aufrufen. Dort lautet einer der Vorschläge, um die Zeit im Stau zu verkürzen: „Ego-Googeln“.
Dieses „Ego-Googeln“, sich also selbst zu googeln, um zu sehen, was das weltweite Netz über einen verrät, sei eine „weit verbreitete Sache“. Prompt bittet die „Stauzeitung“ um eine ehrliche Antwort. Die Frage lautet: „Wie oft googelst du dich?“ Wie meinen die das? Am Tag? In der Stunde? Ich entscheide mich für die Antwort: „Nein, würde ich niiiie tun!“
Wer einen Namen googelt, bekommt von der Suchmaschine Begriffe vorgeschlagen, die von Internetnutzern angeblich am häufigsten zusammen eingegeben werden. Peter Boudgoust kann beim Ego-Googeln lesen: „Peter Boudgoust Gehalt“. Aha, die Leute interessieren sich vor allem dafür, was der SWR-Intendant verdient. Laut erstem Treffer sind’s 273 000 Euro im Jahr. Bei SWR-3-Moderator Ben Streubel heißt es: „Ben Streubel schwul“. Ich habe mich schon mal mit ihm darüber unterhalten. Er kann sich’s nicht erklären, warum ausgerechnet bei ihm, einem Macho mit Charme, viele homoerotische Überlegungen herrrschen. Udo Lindenberg ist wirklich nur sein Kumpel! Zweitwörter von Jogi Löw sind „gefärbte Haare“. Und beim deutschen EU-Kommissar lesen wir: „Günther Oettinger Mafia“. Was ist gut fürs Ego beim Googeln?
Den Stau sollte man zur Kreativität nutzen, schlagen die Media-Studierenden vor. Für eine Kulturhauptstadt ist dies Ehrensache. Schon reimen wir, was das jeweilige Auto hergibt:
Yoga im Toyota
Fleischwolf im Golf
Forsche im Porsche
Anakonda im Honda
Meuchelmord im Ford
Reibach im Maybach
Damenbart im Smart.
Wir reimen, bis wir auch noch die Dichter-Hauptstadt sind! Spitze in jedem Fall!