Zur romantischen Verabredung, die das Ziel verfolgt, zwei Herzen einander näherzubringen, benutzten unsere Eltern das schöne französische Wort Rendezvous. Heute sagen junge Menschen Date dazu. Und dieses Date ist in Gefahr? Oder warum bekommen wir immer mehr Karten und Mails, auf denen „Save The Date“ steht?
Aus der Reklameforschung wissen wir, dass ein Großteil der deutschen Kunden englischsprachige Slogans falsch versteht. Als eine Parfümeriekette „Come in and find out“ plakatierte, dachten viele, sie sollten in den Laden reinkommen und wieder rausfinden. „Save The Date“ mit „Rettet das Date“ zu übersetzen, ist zwar falsch, aber man meint wenigstens das Richtige. Blockieren sollen wir einen Tag, damit wir der Einladung zur Hochzeit, Geburtstagsfeier, zum Firmenjubiläum folgen können und nicht zur selben Stunde bei anderen Hochzeiten tanzen.
Die Save-The-Date-Verschickung hat so überhandgenommen, dass man den Überblick verliert, wenn nicht die elektronischen Netzwerke über die Dates wachen. „Heiko Häberle nimmt an der Veranstaltung XY teil“ – dies können dann seine Facebook-Freunde lesen. Der Heiko Häberle hätte auch mit einer Absage oder mit „Teilnahme unsicher“ antworten können – ganz so, wie früher die Klassenschönste ankreuzen musste, wenn wir Jungs ihr auf einem Briefchen eine elementare Frage stellten: „Willst du mit mir gehen? Ja, nein oder vielleicht?“
Ja, immer schnelllebiger ist unsere Zeit! Wie oft wurde das schon beklagt! Im Save-The-Date-Wahn ist nun, glaube ich, ein neuer Rekord für Stuttgart aufgestellt worden. Was, liebe Leserinnen und Leser, haben Sie am 17. Dezember 2022 um 9.07 Uhr vor? Schon fast 5000 Menschen haben dieses Date blockiert und via Facebook zugesagt, dass sie dabei sein werden – dann nämlich, wenn der neue Stuttgarter Bahnhof feierlich eröffnet wird.
Im Netz wird der 17. Dezember 2022, 9.07 Uhr, eifrig diskutiert. „Hab grad einen anderen Termin abgesagt, das lass ihr mir nicht entgehen“, hat ein User notiert. Jemand gibt zu bedenken: „Schon 2022? Ist mir aber ein bissle kurzfristig – da hab’ ich ja kaum Zeit, um schicke Klamotten für die Eröffnung zu finden.“ Weiter ist zu lesen: „Dann kommen die Flüchtlinge endlich unbeschwerter von Bratislava über Ulm zu uns.“ Und noch ein Facebook-Besucher freut sich: „Ich komme von BER angeflogen.“
Natürlich hat nicht die Bahn dieses (falsche) Date ins Netz gestellt. Es war einer dieser Facebook-Scherzbolde, der sich nun freuen kann, wie viele darauf reagieren. Jörg Hamann, der neue Leiter Kommunikation des DB-Projekts Stuttgart–Ulm, erklärt dazu: „Uns freut sehr, dass sich bereits so viele für die Einweihung von Stuttgarts einzigartigem neuem Bahnhof anmelden wollen.“ Im Dezember 2022 sei aber „hoffentlich dort der erste Zug längst abgefahren“. Nach allem, was der Bahnsprecher wisse, sei er zuversichtlich, „den Durchgangsbahnhof wie geplant zum Fahrbahnwechsel im Dezember 2021 in Betrieb nehmen zu können.“
Dass Jörg Hamann fest daran glaubt, unterstreicht sein neues Autokennzeichen, das mit den Ziffern „2021“ endet .
Man sagt ja auch Stuttgart 21 und nicht Stuttgart 22 oder Stuttgart 23. Das Internet jedenfalls vergisst nichts und wird uns den 17. Dezember 2022, 9.07 Uhr, bis zu eben diesem Tag und dieser Uhrzeit immer wieder vorführen.
Großer Bahnhof! Bis zum 17. Dezember 2022, 9.07 Uhr, werden noch mehr Termine dazukommen. Vielleicht sollten wir zur Vereinfachung einige zusammenwerfen. Save The Megadate! Am besten feiern wir die Eröffnung des Stuttgarter Bahnhofs und des Berliner Flughafens zusammen in der Elbphilharmonie. Aber nicht vor 2030. Vorher wird ja doch nix fertig.