Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt. Dank Herbert Grönemeyer wissen wir, dass der Mensch schwärmt und stählt, dass er wärmt, wenn er erzählt. Doch über „das Mensch“ hat der Sänger kein Wort verloren. Nur für den maskulinen Menschen schrieb er eine Hymne, nicht aber fürs Neutrum.
Dabei steht der schwäbische Ausdruck „das Mensch“ sogar im Duden – anders als das Muggaseggele. Für diese winzig-kleine Winzigkeit macht sich Antenne 1 stark. Seitdem die Mugg und ihr Seggele auf dem Narrenwagen eines Faschingsumzugs waren, sind sie dem Ziel nähergekommen, als schwäbische Maßeinheit linguistisch gewürdigt zu werden.
Doch für welche Maßeinheit steht „das Mensch“? Bei einer Gesprächsrunde am Küchentisch, der in der Auferstehungskirche Unteraichen stand, ist dieser Begriff gefallen. Frag den Duden. „Das Mensch“, erfahren wir, bedeutet „weibliche Person“ und ist „abwertend“ gemeint.
Der Begriff wird außer bei den Schwaben auch in Bayern verwendet – aber eigentlich nur noch von älteren Menschen (weiblichen und männlichen). Die jüngeren kennen „das Mensch“ oder „das Lompamensch“ meist nur von ihren Großeltern, wenn überhaupt. Können wir alles wissen? Wir sind doch auch nur Menschen, also unvollkommen und fehlerhaft.
„Mal wieder Mensch sein“, so lautete das Thema einer so munteren wie nachdenklichen Runde in Unteraichen, Diakon Tobias Schäuble hatte seinen Esstisch von daheim ins Gotteshaus transportiert.
Will die evangelische Jugend auf den Fildern mit ihrem Jahresmotto „Mal wieder Mensch sein“ sagen, dass wir oft gar keine Menschen sind? Was sind wir dann?
Viele von uns sind Hamster. Als Hamster im Rad sind wir hyperaktiv und merken gar nicht, dass wir nicht vorwärtskommen. Und wenn es uns auffällt, fehlt meist die Alternative. Der Alltag und die Arbeit haben uns so fest im Griff, dass wir es verpassen runterzuschalten. Bis wir nicht mehr wissen, ob wir Männlein oder Weiblein sind, Menschlein oder Mensch.
Das Hohelied auf die Zäsur hat in der Auferstehungskirche Horst Keller, Jahrgang 1947, angestimmt. Der Chef des Rottweiler Reiseunternehmens Hauser konnte irgendwann keine Menschen mehr sehen, keine Reisenden hinter ihm im Bus. Offen sprach er darüber, warum er heute nur noch leere Busse fährt und sich lieber um die Werkstatt kümmert. 40 Jahre lang hatte er nur an die Arbeit gedacht. Zum 60. Geburtstag hatten ihm die „letzten Freunde, die mir blieben“, ein Fahrrad geschenkt. Er begab sich auf den Jakobsweg, schaltete sein Handy ab und erlebte das Menschsein neu – etwa durch die Nase. „Ich hab’ zum ersten Mal Blumen, Wiesen, Wälder gerochen“, erzählte er, „und wusste, was mir entgangen ist.“
Matthias Gastel (Jahrgang 1970), der seit 2013 für die Grünen im Bundestag sitzt, schilderte im Gespräch mit Moderator Uwe Kaiser, wie schwer es ist, als Politiker Mensch zu bleiben – zu sehr ist er in Verpflichtungen gefangen. Immer sonntags um 7 Uhr morgens geht er aber mit einem Nachbar joggen – es ist nicht der CDU-Landeschef Thomas Strobl, mit dem er in Berlin im selben Haus wohnt.
Waren Sie, liebe Leserinnen und Leser, heute schon Mensch? Gut, manchmal fühlen wir uns wie der letzte Mensch. Der Mensch ist oft das Mittelmaß aller Dinge, vielleicht eine Übertreibung der Natur.
So oder so tut es gut, wenn wir über den Sinn des Menschseins nachdenken, über das, was wichtig ist. Dann ahnen wir, warum es ein männlicher Mensch gewesen sein muss, der eine Frau, die er nicht mochte, zu „das Mensch“ gemacht hat.
Mensch werden ist nicht schwer – Mensch sein dagegen sehr. Am besten, man macht was draus.