Und der Mensch heißt Mensch, weil  er vergisst, weil er verdrängt. Dank Herbert Grönemeyer wissen wir,  dass   der Mensch schwärmt und stählt,  dass er wärmt, wenn er erzählt. Doch über „das Mensch“ hat  der Sänger kein Wort verloren.  Nur für  den maskulinen Menschen schrieb er eine  Hymne, nicht aber  fürs Neutrum.

Dabei steht  der schwäbische Ausdruck „das Mensch“ sogar im Duden – anders als das   Muggaseggele.  Für diese winzig-kleine  Winzigkeit macht sich  Antenne 1 stark. Seitdem die  Mugg und  ihr  Seggele   auf dem Narrenwagen eines Faschingsumzugs waren, sind sie dem Ziel nähergekommen, als  schwäbische Maßeinheit    linguistisch gewürdigt zu werden.  

Doch für welche Maßeinheit steht „das Mensch“?  Bei einer  Gesprächsrunde am Küchentisch, der  in der Auferstehungskirche Unteraichen stand,  ist dieser Begriff gefallen. Frag den Duden. „Das Mensch“,  erfahren wir,       bedeutet „weibliche Person“ und ist „abwertend“ gemeint.

Der Begriff wird   außer bei den Schwaben auch in Bayern  verwendet – aber eigentlich nur noch von älteren Menschen (weiblichen und männlichen).  Die  jüngeren kennen „das Mensch“ oder „das Lompamensch“ meist nur von ihren Großeltern, wenn überhaupt.  Können wir alles wissen? Wir sind doch auch nur Menschen, also unvollkommen und fehlerhaft.

Der Politiker Matthias Gastel, der Busunternehmer Horst Keller und der Journalist Uwe Kaiser (von links) am Küchentisch in der Auferstehungskirche Unteraichen Foto: Schäuble
Der Politiker Matthias Gastel, der Busunternehmer Horst Keller und der Journalist Uwe Kaiser (von links) am Küchentisch in der Auferstehungskirche Unteraichen Foto: Schäuble

„Mal wieder Mensch sein“, so lautete das Thema   einer so munteren  wie nachdenklichen   Runde   in Unteraichen,    Diakon Tobias Schäuble hatte seinen Esstisch   von daheim  ins Gotteshaus transportiert.

Will die evangelische Jugend auf den Fildern mit ihrem Jahresmotto „Mal wieder Mensch sein“ sagen, dass  wir oft  gar keine Menschen  sind?  Was sind wir dann?

Viele von uns sind  Hamster.  Als Hamster im Rad sind wir hyperaktiv und  merken gar nicht, dass wir nicht vorwärtskommen. Und wenn es uns auffällt,  fehlt  meist die Alternative. Der Alltag und die Arbeit haben uns so fest  im Griff, dass wir es verpassen runterzuschalten. Bis wir nicht mehr wissen, ob wir Männlein oder Weiblein sind, Menschlein oder Mensch.

Das Hohelied auf die Zäsur hat in der Auferstehungskirche  Horst Keller, Jahrgang 1947, angestimmt. Der Chef  des Rottweiler Reiseunternehmens  Hauser  konnte irgendwann keine Menschen mehr sehen, keine Reisenden  hinter ihm im Bus. Offen sprach er darüber, warum er heute  nur noch leere Busse fährt und sich lieber   um  die Werkstatt  kümmert. 40 Jahre lang hatte er nur an  die Arbeit gedacht.  Zum 60. Geburtstag hatten  ihm die „letzten Freunde, die mir blieben“,   ein Fahrrad geschenkt. Er begab sich auf den Jakobsweg, schaltete sein Handy ab und erlebte das Menschsein neu – etwa durch die  Nase. „Ich hab’ zum ersten Mal   Blumen, Wiesen, Wälder gerochen“, erzählte er, „und wusste, was mir  entgangen ist.“

Matthias Gastel   (Jahrgang 1970), der seit 2013  für die Grünen im Bundestag sitzt, schilderte im Gespräch  mit Moderator  Uwe Kaiser, wie schwer es ist, als Politiker Mensch zu bleiben – zu sehr ist er in    Verpflichtungen gefangen.  Immer sonntags um  7 Uhr morgens    geht er aber mit einem Nachbar    joggen – es ist nicht  der CDU-Landeschef Thomas Strobl, mit dem er in Berlin im selben Haus wohnt.

Waren Sie, liebe Leserinnen und Leser, heute schon Mensch?  Gut, manchmal fühlen wir  uns wie der letzte Mensch. Der Mensch ist oft das Mittelmaß aller Dinge, vielleicht eine Übertreibung der Natur.

So oder so tut es gut,  wenn wir über den Sinn des  Menschseins nachdenken, über das, was   wichtig ist. Dann ahnen wir, warum es ein männlicher Mensch gewesen sein muss,  der  eine Frau, die er nicht mochte, zu „das Mensch“ gemacht hat.

Mensch werden ist nicht schwer –  Mensch sein dagegen sehr. Am besten, man macht was draus.

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