Ewig lockt der Ruhm, neudeutsch: Fame – doch die Jagd danach macht viele zu Verlierern. In digitalen Zeiten ist die Nomenklatur der A- bis Z-Promis unübersichtlich geworden. Was ist wahr, was Fake? Bei Daniela Katzenberger etwa ist nichts echt, nicht mal ihre Dummheit. Eine Orientierungssuche von Uwe Bogen im Scheinwerferlicht und in Schattenzonen. (Erschienen am 2. Dezember 2017 in der Wochenendbeilage der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“.)
Breit sind seine Schultern, wie bei einem Rugbyspieler. Die besten Machos haben mehr als eine harte Schale. Sascha Gerecht, den man in den USA „German Tank“ nennt, den deutschen Panzer, ist ein offener Typ, keiner, der sich in sich selbst verschanzt. Fremde begrüßt er so herzlich, als kennte man sich ewig. Wenige Meter vom Stuttgarter Rathaus entfernt sitzt Gerecht, der Chef der Modefirma Rockstars & Angels, in der früheren Kostbar. Vor etwa vier Jahren ging sein Label mit Werbefotos von Fußballer Cristiano Ronaldo durch die Klatschmedien. Seitdem treffen sich die beiden zuweilen in Los Angeles auf einen Kaffee. Ohne erkennbaren Stolz in der Stimme erzählt der 41-Jährige von seinen berühmten Kumpels, zu denen auch David Beckham gehört.
Sascha ist der „German Tank“
Wir trinken ein Bier im Restaurant von Gerechts Frau, im Apanaya. Nach einem Wort aus der Yoga-Sprache heißt der Ort nun, der 13 Jahre lang als Kostbar Stammgäste wie OB Fritz Kuhn angelockt hat.
Tätowiert und strotzend vor Testosteron – so ist der frühere DJ Pate No 1 des House-Clubs N-Pir in Stuttgart-Feuerbach mit der Doku-Fernsehsoap „Euros of Hollywood“ als „German Tank“ in der zweiten Heimat USA bekannt geworden.
Den Buchtitel „Echt Gerecht“ hat er sich schützen lassen. Irgendwann will der einstige Partykönig eine Biografie mit seinen Erlebnissen in der Promiwelt von Ibiza bis Beverly Hills schreiben. Irgendwo dazwischen liegt Stuttgart. Aufschreiben will er, wie er als Manager von Sänger Jaden Boysen, Chef eines Modelabels und Start-up-Gründer mit E-Mobilität bei manchen Terminen extra seine Rolex anlegt. Vor allem bei US-Partnern wächst dann der Respekt, und sie sind schneller bereit, Verträge zu unterzeichnen. Kommt der Grüne Fritz Kuhn von seinem nahen Arbeitsplatz ins Apanaya, dessen Gebäude der Stadt gehört, hat Gerecht keine Uhr an.
In dem Buch dürften sich junge Frauen wiederfinden, die sich noch immer an ihn ranschmeißen, obwohl er als Familienvater „hundertprozentig treu“ sei. Affären habe er in jungen Jahren genug gehabt. Klar, sagt er lächelnd, früher habe er als DJ Musikwünsche nur gegen die übliche Währung Sex erfüllt. Noch heute versprechen sich die baggernden Ladys von ihm Zugang zur Promiwelt – am besten gleich bis nach Hollywood!
Sascha weiß, wie gewisse Frauen ticken, die „voll auf Fame“ abfahren, die bekannt werden wollen wie die „Katze“. Die platinblonde Pfälzerin mit überirdischer Silikonreichweite hat die Methode „Mach auf blöd, werd reich“ perfektioniert. Nichts ist echt an Daniela Katzenberger, nicht mal ihre Dummheit. Und damit ist sie zum Vorbild geworden.
Bei Stuttgarter Events stöckeln unbekannte Schönheiten mit kunstvoll gezupften Augenbrauen und knappen Stoffen katzengleich umher, um ihrem Berufsziel „Irgendwas mit Prominenz“ näher zu kommen. „Mich widert es an“, sagt Gerecht, „wenn Mädels wie Kerle angeben, dass sie Schacka-Schacka mit irgendwelchen Heinis gemacht haben, die ihnen nützlich werden könnten.“
Zwei Wohnsitze: in LE und LA
Dokumentieren dürfte der Autor auch, wie er mit Anfang zwanzig nach missglücktem Spekulationsgeschäft in Südafrika so pleite war, dass er nur für fünf Euro Benzin zapfen konnte und dem Tankwart eine dumme Erklärung für die kleine Menge vorlügen musste. Sein Leben bietet viel, worüber man im Dschungel reden könnte. RTL hat den „German Tank“, der zwei Wohnsitze hat – in LE (Leinfelden-Echterdingen) und in LA –, gefragt, ob er mitmachen will.
Doch nein! Niemals! Auf Kandidaten im „Dschungelcamp“, spottet Sascha Gerecht, blickt man nur herab!
Einst nannte man jene Wichtigtuer, die Ekelprüfungen und Mobbing über sich ergehen lassen, B-Promis. Das Buchstabieren ist fortgeschritten, je schneller man die pleitegegangenen Medienhuren und TV-Tölpel vergessen hat, die sich dort blamiert haben. Und doch erfüllen Dschungelbewohner, könnte man es mal positiv sehen, eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Den Zuschauern, darunter sind Glücklose des Lebens, hilft der Anblick von Madenessern und zwischenmenschlichen Zeitbomben, sich besser zu fühlen. Den C-, D- oder gar Z-Promis verdankt man das Gefühl, überlegen zu sein.
Frank Stäbler kennt das Trash-Fernsehen
Längst ist bekannt, wie getrickst und geschummelt wird beim RTL-Quotenhit. Der Wasserfall am Lager, der Erotik vom Duschen liefern soll, ist nicht echt. Er funktioniert auf Knopfdruck und wird bei Nichtbedarf abgestellt. Das Krabbeltier stammt nicht aus dem Dschungel. Die Inszenierungen werden wenigstens mit Sprüchen der Gagschreiber gelegentlich von den gar nicht so schlechten Moderatoren selbst als Parodie entlarvt.
„Im Dschungel wird man mich nie sehen“, gelobt Frank Stäbler. Der einzige Deutsche, der in zwei Klassen Weltmeister im Ringen geworden ist, hat Erfahrung mit dem Trash-Fernsehen. Als Bewohner von „Promi Big Brother“ waren für den Musberger nach dem Verletzungspech bei den Olympischen Spielen 17 Tage unter Voyeur-Beobachtung ein Lehrstück in Medienkunde. Stundenlang habe er von seiner Liebe zu seiner heutigen Frau Sandra gesprochen – doch nichts davon ist gesendet worden. Auch für seinen Sport interessierten sich die Sat-1-Leute nicht sonderlich. Gezeigt wurde nur, was ins Konzept passt. Zwar habe er keine „Regieanweisungen“ bekommen, den Sex-Chili-Talk mit dem TV-Sternchen Jessica Paszka zu führen. Doch immer wieder ist er zu Gesprächen geholt worden, bei denen die Fernsehmacher ihm in die Sache mit Jessy hineinredeten.
Über ein Jahr danach, nach dem zweiten WM-Titel, bereut es Stäbler nicht, im Sat-1-Knast gesessen zu haben. Viel Aufmerksamkeit bekommt ein Ringer nie, selbst wenn er Weltmeister ist. Bereits auf der Heimfahrt im Zug vom Kölner „Promi Big Brother“-Haus nach Stuttgart hat Olympionike Frank Stäbler gespürt, was Schlagzeilen in Boulevardblättern um Paprika, Chili und Dip, ums Fremdflirten mit einem inszenierten Flittchen bewirken. „Früher bin ich im ICE nie erkannt worden“, erzählt Frankie, „dann musste ich Autogramme geben.“
Die „Big Points“ des Lebens
Würde der 28-Jährige in Aserbaidschan, der Ringer-Hochburg, leben, er wäre Volksheld und hätte ausgesorgt. In Deutschland muss er auch abseits des Sports wirbeln, um seinen Marktwert zu steigern und Sponsoren zu locken. Auf seine Facebook-Seite stellt Stäbler regelmäßig Motivationssprüche. Die „Big Points des Lebens“, hat er etwa geschrieben, erziele man erst, wenn es einem schlecht gehe und man trotzdem nicht liegen bleibe. Vom Mattenhelden können die Nachahmer prominenter Idole lernen. „Wer nur in die Fußstapfen anderer tritt“, notierte der Sonnyboy zuletzt, „hinterlässt keine Spuren.“ Dass es im Leben noch mehr „Big Points“ gibt, hat er via Facebook mit einem Ultraschallbild in die Welt hinausposaunt. Weil er vor Freude schier gar platzte, postete der 28-Jährige ein halbes Jahr nach seiner Hochzeit: „Ich werde Daddy!“ Der Geburtstermin ist Anfang Mai.
Die Arbeit von Paparazzi wird von den A- bis Z-Promis heutzutage oftmals selbst übernommen. Via Facebook, Instagram und Twitter sind Klatschmeldungen hausgemacht. Mithilfe der digitalen Medien arbeiten viele an ihrem Ruhm und finden sich toll, wenn sie oft genug ihre Bilder mit der dünnsten Zicke oder der dicksten Schampusflasche ins Netz stellen. Da jeder ein Fotohandy in der Tasche hat, ist bei den Events die Außendarstellung wichtiger als das Feiern geworden. Auch wenn das ständige Bedienen der Smartphones und das Runtergucken auf die Dinger den Partyspaß unterbricht, sind die Sponsoren glücklich übers Posten von Gäste-Selfies vor der Fotowand mit ihrem Logo. So viel Werbung war nie!
„Zu viele Luftpumpen“ unterwegs
Als der Hamburger Veranstalter Michael Ammer, ein Kuppler der Partyfreudigen, im H’ugo’s in Stuttgart zu seiner Media Night einlud, hatten es heimische Pressefotografen nicht leicht. Wer Sendungen wie „DSDS“ und „Germany’s Next Topmodel“ nicht schaut, tut sich schwer beim Identifizieren der aufgedonnerten Motive. Namensschilder sollten sie tragen, meinte ein Fotograf, und ein anderer klagte, „zu viele Luftpumpen“ an diesem Abend zu sehen.
Die digitalen Zeiten haben auch das Popbusiness völlig verändert. Die Stuttgarter Sängerin Jenny Marsala hat mit ihrem Youtube-Hit „One Girl, 13 Voices“ Millionen Klicks geholt, will sich nun aber davon abnabeln und mit eigenen Songs nach oben kommen. Der TV-Show „Voice of Germany“, die um Jenny warb, gab sie einen Korb. Schneller Fernsehruhm ist nicht, was sie will. Jenny und ihr Freund, der Musiker Benni Jud, wollen ihr eigenes Ding machen. Es geht ihnen nicht um einen weit vorn liegenden Buchstaben im Promi-Alphabet, sondern allein um ihre Musik. „Wer bei einer Castingshow gewonnen hat, ist nicht mehr frei und muss nur noch ausführen, was die Sender wollen“, sagt Benni.
Die Sehnsucht nach der eigenen Prominenz währt oft nur für eine gewisse Zeit. Neuerdings hat Sascha Gerecht, der Mann mit den Schultern eines Rugbyspielers, einen neuen Traum. Wenn er genügend Geld habe, will der „German Tank“ mit seiner Familie auf einer Ranch in den USA zurückgezogen leben. Schreibt er dort sein Buch? „Das“, antwortet er, „ist dann nicht mehr wichtig.“