Wie es der Schwabe mit dem Berliner hält, wird gerade multimedial auf allen Kanälen zu Lande, zu Wasser und in der Luft auf das Heftigste verhandelt. Selbst die „New York Times“ berichtet über den deutsch-deutschen Streit. Sie schreibt über „german migrants from Swabia, a region just west of Munich.„. Westlich von München sind wir also, wie niedlich. Aber man wird uns schon noch besser kennen lernen!
Vom „Genossen Zausebart“ singt die A-Cappella-Gruppe Die Füenf mit bald zehntausend Aufrufen bei Youtube („Herr Thierse, halt dei Gosch!“). Freiheitskämpfer rüsten mit Spätzlebrettern auf und bewerfen die Hauptstadt mit Teigware. Der Prenzlauer Berg, so die Drohung, werde für ein freies Schwabylon unter einer Spätzleschicht versinken. Im Interview mit „Vice“ zeigt sich ein Spätzleterrorist mit Maske auf dem Kopf, dem Spätzlebrett in der Hand und im Boss-Anzug und sagt: „Die Schwaben sind der Apfelmost in den Adern Berlins.“ Den Vorwurf der Verschwendung weist er zurück. Man habe ausgerechnet, was es kostet, würde man den Prenzelberg mit einer ein Zentimeter dicken Schicht Spätzle überziehen. Der unbekannte Schwabe spricht: „Die Materialkosten belaufen sich mit Bio-Preisen gerechnet auf 170.000 Euro. Geschabt wird ehrenamtlich. Das ist ein Bruchteil der Kosten von Stuttgart 21. Wir schaben, weil wir es haben.“
Die Lage spitzt sich zu. Trotzdem müssen wir nicht fürchten, die Schrippenzieher könnten Stuttgart ansteuern, um sich für die Attacken zu rächen – ohne Flughafen kommen die nicht raus aus ihrer Stadt.
Der Stuttgarter Porsche-Fotograf Frank M. Orel, 64, ein Urschwabe wie aus dem Bilderbuch, will zu dem aktuellen Konflikt kein Wort verlieren. Würde den Zausebart nur aufwerten und aufzauseln. Nein, der Mann hat ein besseres Mittel, um das Problem zu lösen. „Die Berliner“, sagt der Herr Fotograf, „essen wir einfach auf.“
Jeden Tag kauft Orel welche bei seinem Lieblingsbäcker Bosch im Westen. Die Schwaben, ist doch klar, machen die besten Berliner der Welt. Und die sind nicht mal hohl wie so mancher Kopf in der Hauptstadt. Mit Eierlikör innen drinnen mag der Chef eines siebenköpfigen Fotografenteams sie besonders gern. So sehr, dass bei meinem Besuch keine mehr da sind. Aber eine Butterbrezel hat er immer vorrätig, um beim Verzehr die Schwabenwelt zu besprechen.
Am 24. Januar startet im Haus der Wirtschaft das, was jahrzehntelang schlicht „Kalenderschau“ hieß. 2013 wird alles anders. „Gregor international calendar award“ heißt die Leistungsschau nun. „Damit wollen wir verstärkt internationale Kalendermacher ansprechen“, hat mir Friedrich Müller vom Graphischen Klub Stuttgart gesagt. Gregor war kein Schwabe. Gregor war Papst. Ende des 16. Jahrhunderts stellte Gregor XIII. die Weichen für den gregorianischen Kalender. Und jetzt hat er auch noch eine Ausstellung, die nach ihm benannt ist. „Trotz Smartphones boomen die Kalender“, berichtet Müller erfreut, „der Buchhandel meldet damit enorme Umsatzzuwächse.“
Das ist schön. Frank Orel dürfte, auch wenn’s bisher noch geheim ist, einer der 45 Gregor-Award- Gewinner sein. In diesem Jahr wird er 65. Natürlich wird er nicht aufhören. „Was sollte ich auch tun?“, fragt er. Vor 40 Jahren hat er sein Fotostudio eröffnet, das sich heute in einer ehemaligen Fabrik in Heslach befindet. Schon früh machte er sich einen Namen in der Branche mit seiner speziellen Mischtechnik. Mit Malerei, Computern und Farbkopieren erweitert und verfremdet er die klassische Fotografie. Orel lässt die Welt neu erstrahlen, wie das heutige Blogfoto von der Landesmesse auf den Fildern zeigt.
Weil der Porsche von der Brezel abstammt, wie er einst mit einer Fotoserie beweisen konnte, fährt er natürlich auch einen – nur nicht im Winter. Da ist er abgemeldet, weil dieses Auto keine Winterreifen mag. Frank Orel hat in der VW-Zentrale und Autostadt Wolfsburg über Monate den im Juni 2012 eröffneten Porsche-Pavillon fotografisch begleitet. Wäre der Kampf der Autogiganten anders ausgegangen, hätte er nun den VW-Pavillon in der Autostadt Stuttgart fotografieren können. Doch eine Frage der schwäbischen Ehre ist’s für ihn nicht. „Porsche bleibt immer Porsche“, sagt er. Soll so viel heißen wie „Ein Schwabe bleibt immer Schwabe.“
Auch wenn er in seiner Fotografie gern die Bilder verfremdet, ist er ein Freund des unverfälschten Lebens. Lustig macht sich der 64-Jährige über Fotografenkollegen, die ihr Haupthaar pechschwarz färben oder über Frauen, die meinen, Fotoshop würde es auch im OP-Saal eines Schönheitschirurgen geben. Das Älterwerden könne man ohnehin nicht kaschieren, wie auch ein Schwabe seine Herkunft niemals verbergen könne. Warum auch? Schwaben haben einen speziellen Witz, sie sind nicht so aufdringlich wichtig, wie sich andere Volksstämme mit lautem Temperament gern geben.
Ob das was wird mit dem „Gregor international calendar award“, ob der zu uns Schwaben passt? Den „Thierse international award“ für den besten Berliner verleihen wir jedenfalls nicht. Wir reden nicht groß über die, sondern beißen lieber voller Genuss in einen rein. Unglaublich, was sich westlich von München so alles tut.