What’s up? Was ist los im Web? „Ich verstehe Facebook nicht“, sagt Patrick Mikolaj, jener junge Mann, der mit über 32.000 Fans die erfolgreichste Stuttgart-Seite bei Facebook betreibt. Muss man sich auskennen mit Werbeanzeigenmanager, mit organischen Beitragsreichweiten, mit Cloudspeichern – mit all dem Zeugs, das in den Administrationshilfsbereichsseiten des sozialen Netzwerks auftaucht? Oder ist das nur unnützes Wissen?
Es ist unglaublich, wie unnützes Wissen im Gedächtnis bleibt, obwohl man sich dies gar nicht zu merken braucht. Zu Schulzeiten hat man viel Wissen in uns reingehämmert, das wir für absolut überflüssig hielten. Heute aber sind Zehntausende ganz scharf auf unnütze Fakten, die Patrick Mikolaj in fast täglicher Dosis bei Facebook ins Netz stellt. Seine Seite Unnützes Stuttgartwissen, kurz USW, hat eine neue Art von Heimatliebe geweckt und einen Hype ausgelöst. Mit immer neuen Ideen macht er immer noch mehr. Nach Buch, Kalender, Taschen gibt’s nun auch Stadtführungen von USW. Eine App ist geplant. Und im Herbst soll’s das zweiten USW-Buch geben.
Mikolaj, ein gelernter Einzelhandelskaufmann, der in seinem Drogeriemarkt in Bad Cannstatt die Arbeit auf Zweidrittel reduziert hat, um mehr Zeit für seine unnütze Stuttgart-Wissensleidenschaft zu haben, hat einen guten Humor. Immer wieder verfällt er ins Schwäbische. Der 33-Jährige mit den flinken Augen macht sich gern lustig über sich selbst – also über seine Unkenntnis in Internetangelegenheiten. Obwohl er doch im Netz nicht nur groß geworden, sondern auch groß rausgekommen ist. Bei Roastbeef und Kartoffelgratin hat er mir erklärt, dass er umgezogen ist, vom soeben von Facebook geschluckten Kurznachrichtendienst Whats App zu Threema. Dies erzählt Mikolaj ohne erkennbare Gefühlsregung eher nebenbei. Aber wie seine Augen leuchten, wenn er in alten Stuttgart-Büchern blättert!
Sein Unnützes Stuttgartwissen und das Stuttgart-Album machen viel gemeinsam. Da wollte ich Patrick Mikolaj ein Stuttgart-Buch von 1908 nicht vorenthalten, das Uwe Mayer dem Stuttgart-Album geschickt hat. Vielen Dank, lieber Herr Mayer, auch an dieser Stelle für diese großartige Rarität! „Bilder aus Schwabens Gauen“ heißt das Buch, das Firmengründer Eduard Breuninger vor über 100 Jahren für die „Freunde meiner Firma“ anfertigen ließ. Mit Ehrfurcht und Begeisterung schaut sich der USW-Erfinder die historischen Aufnahmen in dem albumähnlichen Bildband an. Immer wieder lässt er ein erfreutes Juchzen vernehmen. „Oh hier, die vielen hohen Bäume auf dem Schlossplatz“, jubiliert er, „das war ja fast ein Wald.“ Und der prachtvolle Vorgängerbau des heutigen Rathauses, von 1901 bis 1905 im Stil der flämischen Spätgotik errichtet! Dem gebürtigen Kirchheimer Mikolaj, der in seinen zwölf Stuttgarter Jahren zehnmal umgezogen ist, wird’s warm ums Herz.
Schon ist er in seinem Element. Es bereitet ihm fast körperliche Schmerzen, wenn er daran denkt, wie in Stuttgart mit historischen Gebäuden umgegangen wird. „Wenn es dem Denkmalamt – ein Witz, kein Amt – gerade passt, dann kann alles weichen für gesichtslose Neubauten“, empört er sich und nennt zwei Beispiele: Das erhaltene Eckgebäude beim Gerber stand zwar unter Denkmalschutz, habe aber durch das Entkernen diesen Status verloren. Und das einzige herausstechende Gebäude in der Sophienstraße, die kleine Kirche, sei der Abrissbirne zum Opfer gefallen, nur weil sie verändert wiederaufgebaut wurde und dem Amt nicht genügend „originale“ Steine hatte.
Sein Kampf dagegen ist lobenswert – und hoffentlich nicht unnütz.