Hier ist der Fotobeweis: Man könnte das neuerdings doppelt so große Herrenklo als Schmuckstück bezeichnen. Doch Besitzer Bernhard Weiß, der den Wunsch seines verstorbenen Vaters Heinz Weiß erfüllt, sich aus der Gastronomie rauszuhalten ( „Sonst schlag ich dir die Haxen ab“, sagte der Alte), ist auf was ganz anderes stolz. Nämlich darauf, dass er nach dem Ausstieg von Wirt Ranko doch „kein Schicki-Micki-Laden“ aus dem Café Weiß gemacht hat, wie er dies oft im Internet hatte lesen müssen. Es geht ganz so weiter, wie dies sein Vater und sein Großvater Alois Weiß als Hüter von Toleranz vorgemacht haben. „Alle Arten von Menschen sind hier willkommen“, sagte der SAP-Mitarbeiter in seiner sehr launigen Ansprache. Mein Kollege Joe Bauer formulierte es in seinem Vortrag so: „Hier lebten Schwule, Huren und was es sonst gibt in der friedlichsten Koexistenz seit der Erfindung des Unterleibs.“ Wer die Vergangenheit nicht kenne, sagte Joe, sollte sich erst gar keine Gedanken über die Zukunft machen. Leben! Man sollte es in vollen Zügen tun, solange es noch geht! Eine wichtige Botschaft des Abends, der vielfältige Naturschauspiele vorführt. „Hat heute das Alten- und Pflegeheim Ausgang?“, fragte ein früherer Rathausbeamter. „Aber die gehen wenigstens noch raus“, erwiderte der
Mann neben ihm, „und treffen viele Junge, die ihre Enkel oder Pfleger sein könnten.“ Das schräge Ambiente der früheren Kulmbacher Bierstuben wirkt anziehend auf Youngsters. Sie verleihen dem Café Weiß die höchste Auszeichnung und nennen es „Kult“. So treffen sich Greenhörner und Grufties in diesen verrauchten Räumen zum gemeinsamen Abstürzen. Beim Anblick der betagten Nachtgestalten spürt man die Vergänglichkeit. Ein wenig traurig macht dies. Doch die Vergänglichkeit ist hier gut drauf und trinkt ein Bier mit dir.
